(Übersetzung: M.
Marti) Welcher, nachdem er durch
seine Tapferkeit Rom vor der Zerstörung durch die
barbarischen Goten gerettet und zweiundzwanzig seiner
tapferen Söhne in einem zehnjährigen Krieg
verloren, wegen der Heirat des Kaisers mit der
Gotenkönigin in Ungnade fiel und verbannt wurde.
[Wie,] als er wieder zurückgerufen worden war,
der Sohn des Kaisers von seiner ersten Frau von den
Söhnen der Kaiserin und einem blutdürstigen Mohren
ermordet wurde, und wie, als man es Andronicus' Söhnen
anlastete, obwohl er sich die Hand abhieb im Tausch für
ihr Leben, sie im Gefängnis ermordet wurden. Wie seine
schöne Tochter Lavinia von den Söhnen der Kaiserin
vergewaltigt wurde, sie ihr die Zunge abschnitten und die
Hände, usw. Wie Andronicus sie erschlug, Pasteten aus
ihrem Fleisch machte und sie dem Kaiser und der Kaiserin zum
Mahl vorsetzte und sie dann ebenfalls erschlug. Mit dem
jämmerlichen Tod, den er dem bösen Mohren
zufügte; dann auf ihren Wunsch seine Tochter
tötete und sich selbst um weitere Qualen zu
vermeiden. Neu übersetzt von der
italienischen Vorlage, die in Rom gedruckt wurde. London: Druck und Verkauf
durch C. Dicey im Friedhof von Bow und in seinem Lagerhaus
in Northampton. Kapitel 1 Wie Rom von den
barbarischen Goten belagert wurde, und drauf und dran war,
wegen Hunger aufzugeben, als es unerwartet durch Andronicus
gerettet wurde, mit der völligen Niederlage des
Feindes, wofür er dann im Triumph empfangen
wurde. Zur Zeit des Theodosius, als
das Römische Reich seine volle Größe
erreicht hatte, und der größte Teil der Welt
seinem kaiserlichen Thron unterworfen war, kam ein
barbarisches Volk aus dem Norden, aus Schwedenland,
Dänemark und dem Gotenland unter der Führung von
Tottilius, seinem König, nach Italien; es war eine so
große Zahl, dass sie Italien mit Feuer und Schwert
überzogen, Kirchen plünderten, auf eine solch
schreckliche und barbarische Weise schwangere Frauen
aufschlitzten und Jungfrauen vergewaltigten, dass die Leute
vor ihnen wegflohen wie Schafherden. Kapitel 2 Wie Titus in einem zehn
Jahre dauernden Krieg, wobei er zweiundzwanzig seiner
tapferen Söhne verlor, viele berühmte Schlachten
gewann, den Gotenkönig Tottilius erschlug und viele
andere kühne Taten unternahm usw. Als die Wachen auf den
Mauern Roms das Geschrei und das Geräusch von Waffen
gehört hatten, waren sie erstaunt, aber sie konnten
sich nicht denken, was es bedeutete, denn das Lager der
barbarischen Goten umspannte in einem weiten Kreis die
berühmte Stadt. Die Gardehauptleute erstatteten aber
dem Kaiser davon Meldung. Die Kundschafter, die dieser dann
aussandte, wollten aus Vorsicht in der Nacht nicht allzu nah
an den Feind herangehen, und konnten so nur mit Sicherheit
berichten, dass sie meinten, das Stöhnen und die
Schreie von Sterbenden gehört zu haben. Kapitel 3 Wie der Kaiser, der genug
hatte von solch einem langwierigen Krieg, gegen den Willen
und die Überzeugung des Andronicus die
Gotenkönigin heiratete und einen Frieden schloß;
wie sie zur Tyrannin wurde, und wie ihre Söhne den
Prinzen erschlugen, der mit Andronicus' Tochter verlobt war,
und ihn im Wald versteckten. Die Goten, die an diesen
fruchtbaren Ländern nun Gefallen gefunden hatten,
beschlossen, sie nicht einfach so aufzugeben, sondern
sandten, ermutigt durch Alarich und Abonus, die beiden
Söhne des Tottilius, nach frischen Kräften und
richteten in den römischen Provinzen weitere
Verwüstung an, indem sie noch zehn Jahre den Krieg
fortsetzten, in welchem der tapfere Andronicus als oberster
General des Reiches viele Siege über sie errang, mit
großem Blutverlust auf beiden Seiten. Aber da die
Barbaren weiter zunahmen an Zahl, und da der Kaiser Frieden
wünschte, kam man überein, er würde Attava,
die Gotenkönigin, heiraten, und falls er ohne Nachwuchs
sterben sollte, würden ihre Söhne seine Nachfolge
im Reich antreten. Andronicus widersetzte sich dem sehr,
ebenso wie viele andere, kannte man doch die Schwäche
des Kaisers, und wusste man, dass sie, eine sehr
hochmütige und herrschsüchtige Frau, ihn lenken
würde, wie es ihr gefiel, und das edle Reich würde
unter fremder Herrschaft versklavt. Auf kaiserlichen
Beschluss kam dies aber zustande, und es wurden große
Vorbereitungen getroffen für die königliche
Hochzeit, obwohl es darüber sehr wenig Freude im Volk
gab, denn was man befürchtet hatte, trat rasch ein. Kapitel 4 Wie der böse Mohr,
der mit der Kaiserin geschlafen hatte, und vor allen andern
ihre Gunst gewonnen hatte, die drei Söhne des
Andronicus betrog und sie des Mordes am Prinzen bezichtigte,
weshalb sie in einen Kerker geworfen wurden, und enthauptet
wurden, nachdem ihr Vater sich die Hand abgeschlagen hatte,
um sie zu retten. Kaum hatte die schöne
Lavinia vernommen, dass der Prinz vermisst wurde, verfiel
sie in große Sorge, in ein Weinen und Klagen, denn im
Herzen fühlte sie, dass da irgendein Verrat
dahinterstecken musste, und sie bat ihre Brüder
deshalb, ihn suchen zu gehen, was sie auch schleunigst
taten, aber der Mohr und die beiden Söhnen der
Königin folgten ihnen; unglücklicherweise kamen
sie über den Weg, wo die Grube gegraben war, sie fielen
beide hinein auf die Leiche und, da die Grube so tief war,
kamen sie nicht mehr hinaus. Kaum hatten ihre grausamen
Feinde dies gesehen, rannten sie zum Hof und sandten Wachen
aus, um den ermordeten Prinzen zu suchen. Diese fanden die
beiden Söhne des Andronicus bei der Leiche, zogen sie
hinauf und führten sie gefangen zum Hof, wo der Mohr
und die anderen beiden meineidig gegen sie schwuren, sie
hätten oft gehört, wie sie dem Prinzen Rache
angedroht hätten, weil er sie in einem Ritterturnier
besiegt hatte. Kapitel 5 Wie die beiden
lüsternen Söhne der Kaiserin mit Hilfe des Mohren
Lavinia, die schöne Tochter des Andronicus, auf
barbarische Weise vergewaltigten, ihr die Zunge
herausschnitten und die Hände abschnitten, damit sie
sie nicht verraten konnte; wie sie dies aber dann doch
konnte, indem sie mit einem Stab in den Sand schrieb
usw. Wegen dem Verlust ihres
Geliebten und ihrer Brüder, die durch Verrat auf so
niederträchtige Weise ermordet worden waren, riss sich
die liebreizende und schöne Lavinia ihre goldenen Haare
aus, vergoß Fluten von Tränen und zerkratzte sich
mit den Fingernägeln das schöne Gesicht, das
Könige angebetet und mit Verehrung betrachtet hatten.
Sie mied jede Gesellschaft, zog sich in die Wälder und
Haine zurück, wandte sich an die gefühllosen
Bäumen mit ihren mitleiderregenden Klagen und Schreien.
Eines Tages, als der Mohr sie dort hatte hingehen sehen,
berichtete er es den beiden Söhnen der Königin,
welche schon lange vor Lust brannten wie die bösen
Alten nach der keuschen Susanna, aber ihre Tugenden waren
ein Schild gegen jede Verführung, und so konnten sie
[ihr Vorhaben] nur durch Gewalt erreichen. Nun,
dachten sie, sei die Gelegenheit für ihr Vorhaben
gekommen, sie machten sich sofort auf zum Hain, sie
ließen den Mohren als Wachtposten am Rand zurück
und fanden sie bald nachdenklich und sorgenvoll, aber
zierlich und schön in ihren Tränen. Unvermutet,
bevor sie sie hatte sehen können, wie zwei wütende
Tiger, ergriffen sie die zitternde Frau, welche sich wehrte,
so gut sie konnte, und mitleiderregend um Hilfe schrie. Und
als sie sah, wohin ihre bösen Absichten zielten, bot
sie ihnen ihren Hals dar, bittend, sie möchten ihr doch
das Leben nehmen, aber nicht ihre Ehre. Auf schurkische
Weise aber pfählten sie sie an ihrem Haar auf die Erde,
banden ihr die Hände auf den Rücken, dann deckten
sie ihre Nacktheit auf und erzwangen sich ihren Weg ins
Geheimzimmer ihrer Keuschheit, taten es abwechslungsweise,
zuerst begann der ältere, der jüngere
unterstütze ihn, wie sie es zuvor abgemacht hatten. Und
als sie schließlich müde geworden waren vom
Sättigen ihrer tierischen Triebe, begannen sie
darüber nachzudenken, wie sie davonkommen würden,
falls solch eine Greueltat entdeckt würde. Sie riefen
darauf den Mohren herbei und fragten ihn um Rat. Als dieser
sah, wie weit sie gegangen waren, gab er ihnen den gottlosen
Rat, um ganz sicher zu sein, sollten sie ihr die Zunge
herausschneiden, damit sie keine Geschichten erzählen
könne, und die Hände abhauen, damit sie es nicht
mit Schreiben aufdecken könne. Kapitel 6 Wie Andronicus vorgab,
verrückt zu sein, und auf diese Weise die Söhne
der Kaiserin in einen Wald lockte, wo er sie an einen Baum
band, ihnen die Kehlen durchschnitt, Pasteten aus ihrem
Fleisch machte und sie dem Kaiser und der Kaiserin
vorsetzte, diese dann erschlug, den Mohren lebendig in die
Erde pflanzte und dann seine Tochter und sich selbst
umbrachte. In seinem Elend gab
Andronicus vor, wahnsinnig zu sein, und zog wütend
durch die Stadt, Pfeile wie eine Herausforderung gegen den
Himmel schießend und in die Hölle nach Rache
rufend. Dies gefiel vor allem der Kaiserin und ihren
Söhnen, die sich nun sicher fühlten. Und obwohl
seine Freunde vom Kaiser Gerechtigkeit gegen die
Vergewaltiger verlangten, bekamen sie keine Hilfe, sondern
er warnte sie davor, weiter darauf zu beharren; sie sahen,
dass sie in einem schlechten Lage waren, und dass
wahrscheinlich ihr Leben als nächstes dran war, und so
berieten sie heimlich zusammen, wie dieses Unheil zu umgehen
war und wie sie sich rächen konnten. Sie legten sich im
Wald auf die Lauer und als die zwei Söhne zum Jagen
kamen, überfielen sie sie und banden sie an einen Baum,
wobei sie jämmerlich um Gnade schrien, obwohl sie
selbst anderen keine gewährt hatten. . The
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2002
Die
Geschichte von Titus Andronicus
/ Die
Ballade
Englische
Version
Deutsche Version des "Dreigroschenromans", gedruckt von
Cluer Dicey (1760?)
Die
Geschichte von Titus Andronicus,
dem berühmten römischen Feldherrn.
Die tragische Geschichte von Titus Andronicus
und so weiter.
Um diesem zerstörenden Zustrom der Goten, einem Volk,
das barbarisch war und vom Christentum nichts wusste,
Einhalt zu bieten, stellte der Kaiser aus Griechenland,
Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland und England eine
mächtige Armee zusammen und bot ihnen eine Schlacht
unterhalb eines Alpenpasses, aber er wurde geschlagen, wobei
er 60 000 Mann verlor, und als er nach Rom floh, wurde er in
der Stadt von einem gewaltigen Heer der Barbaren belagert,
die mit aller Macht versuchten, die Mauern
niederzureißen, einzudringen und ein schreckliches
Gemetzel unter den Bürgern zu veranstalten, so dass
alle, die das noch konnten, aus Angst über den
Tiberfluss in ein fernes Land flohen.
Die Belagerung dauerte zehn Monate, es kam zu solch einer
Hungersnot, dass nichts Unreines ungegessen blieb; Hunde,
Katzen, Pferde, Ratten und Mäuse wurden kostbarste
Leckerbissen. Tausende starben in den Strassen vor Hunger,
und die meisten von denen, die noch lebten, sahen eher aus
wie Glasfiguren als wie lebende Geschöpfe; auf diese
Weise zum Äußersten getrieben, kamen die Leute
aus dem gemeinen Volk zum Palast des Kaisers und baten ihn
mit mitleiderregenden Rufen, ihnen entweder auf irgendeine
Weise Essen zu verschaffen, damit sie ihr dahinschwindendes
Leben noch behalten konnten, oder aber auf die besten
Bedingungen einzugehen und die Tore dem Feind zu
öffnen. Dies schlug ihn völlig vor den Kopf. Das
erste konnte er nicht, und das andere, so wusste er,
würde ihn nicht nur die Krone kosten, wenn er
überhaupt mit dem Leben davonkam, sondern es wäre
auch der Untergang des Römischen Reiches. Aber dann kam
ihm in dieser äußersten Notlage unerwartete
Hilfe.
Titus Andronicus, ein römischer Senator und ein wahrer
Patriot, hörte in Graecien [Griechenland], wo
er Gouverneur der Provinz Achaia war, in welche
Schwierigkeiten Rom und sein Herrscher durch barbarische
Nationen geraten waren. Er versammelte seine Freunde, und
verkaufte, was er an Wertsachen hatte, um Soldaten
anzuheuern. Mit seiner kleinen Armee marschierte er dann
heimlich los, und (als diese sich in Sicherheit wähnten
und gewissermaßen wein- und schlaftrunken waren, da
sie vorhatten, am nächsten Tag einen Generalangriff zu
unternehmen, bei dem sie zweifellos die Stadt erobert
hätten) fiel er über die mächtige Armee des
Feindes her; er und seine Söhne drangen in ihr Lager,
gefolgt vom Resten veranstalteten sie ein solches Gemetzel,
dass ein ausserordentliches Geschrei und Durcheinander
entstand.
Einige tauschten ihren Schlaf gegen den Tod, andere kotzten,
wegen der Wunden, die sie erhalten hatten, ein Gemisch Wein
und Blut; einige verloren sofort ihren Kopf, andere ihre
Arme. Tottilius, der durch diese Verwirrung aufwachte,
sorgte zuerst, dass seine Königin und die beiden
Söhne, die eben erst ins Lager gekommen waren, in
Sicherheit gebracht wurden, und dann bemühte er sich,
seine flüchtenden Leute wieder zu vereinen, aber da er
von Andronicus kühn angegriffen wurde, wurde er von
seinem Pferd geworfen und stark verwundet. Viele Leben
gingen verloren beim Versuch, ihn wieder aufs Pferd zu
bringen. Im fahlen Mondlicht sah er dann, wie groß das
Gemetzel war, und da er die Zahl seiner Gegner nicht kannte,
ließ er zum Rückzug blasen. Er floh in
großer Verwirrung und ließ in seinem Lager
Andronicus und seinen Soldaten reiche Beute zurück, den
Reichtum vieler geplünderter Nationen. Da diese aber
kriegserfahren waren, wollten sie sich in der Nacht nicht
damit befassen, sondern blieben in Alarmbereitschaft bis zum
Morgen.
Jedoch, als sich die Schatten der Nacht verzogen hatten, und
die siegreiche Sonne ein fröhliches Licht warf, sahen
die Torhüter drei Männer gegen ihr Tor zukommen,
und als sie da waren, klopften sie mit großem
Nachdruck an die Pforte. Die Torhüter nahmen ihren Mut
zusammen und fragten, wer sie seien, und was sie wollten.
"Ich bin Andronicus, euer Freund", sagte einer von ihnen,
"und ich wünsche zu einem Gespräch mit dem Kaiser
vorgelassen zu werden, da die Neuigkeiten, die ich bringe,
ihn zweifellos erfreuen werden."
Dabei zog er seinen Helm hoch, und sie erkannten ihn und
freuten sich, weil sie wussten, dass er ein sehr guter
Patriot war, und nun dachten, er komme wohl wieder, um ihnen
zu helfen, wie er das schon oft getan hatte, als sie in
großer Bedrängnis waren, vor einigen Jahren, als
die Hunnen und Vandalen ins Reich einfielen und von ihm
wieder weggejagt worden waren.
Kaum hatte der Kaiser gehört, dass er gekommen war, kam
er aus seinem Palast gerannt, um ihn zu treffen, und wollte
ihm nicht erlauben, niederzuknien, sondern umarmte ihn so
zärtlich wie einen Bruder und sagte: "Willkommen,
Andronicus, in dieser Zeit unseres größten
Elends. Dein Rat hat mir gefehlt, ich muss wissen, wie wir
uns vor diesem barbarischen Feind befreien könnten,
gegen den sich unsere Stadt nicht mehr lange wird halten
können."
"Bitte, eure Majestät" erwiderte Andronicus, "verbannt
diese Sorgen. Die Arbeit ist getan, ohne dass Ihr davon
gewusst habt; ich und meine zweiundzwanzig Söhne - und
was ich an Freunden und Soldaten auftreiben konnte, sind
diese Nacht in ihre Quartiere eingedrungen, haben 50 000 von
ihnen ausgelöscht, und die zerstreuten Überreste
sind mit ihrem König geflohen."
Der Kaiser war darüber sehr erstaunt, und, obwohl er
von der Ehrlichkeit des Andronicus wusste, vermochte er es
kaum zu glauben, bis seine eigenen Heerführer kamen und
ihm berichteten, die Belagerung sei durch ein schreckliches
Gemetzel aufgehoben worden, aber durch wen wüssten sie
nicht, es sei denn, die Feinde seien selbst über
einander hergefallen, und die Truppen, die sie jetzt noch
von bloßem Auge sehen konnten, seien nicht mehr
beachtlich. Dies waren aber die Leute, die zu Andronicus
gehörten, welche, sobald es Tag wurde, sich unter dem
Kommando seiner zweiundzwanzig Söhne an die Verfolgung
des Feindes gemacht hatten.
Als sich diese überraschenden Nachrichten in der Stadt
verbreitet hatten, war die Freude im Volk
außerordentlich groß. Und als die Leute
erfuhren, wer ihr Retter war, kamen sie in einer Prozession
und sangen sein Lob. Danach fuhr er in einem Triumphwagen
durch die Stadt, gekrönt mit Eichenlaub, das Volk
schrie, Trompeten erschallten, und die dankbaren Leute
zeigten dem Retter ihre Freude auf jede Art und Weise, die
ihnen zur Verfügung stand, er selbst aber verhielt sich
dabei so bescheiden, dass er die Liebe aller gewann.
Kaum war diese Feier vorüber, bat er den Kaiser, so
viele Truppen aufzustellen, wie er nur konnte, und sie mit
den Leuten, die er mitgebracht hatte, zu verbinden, und dann
die Feinde schleunigst zu verfolgen, bevor sie wieder neue
Kräfte sammeln konnten, damit man sie aus Italien und
den anderen Ländern, wo sie noch starke Garnisonen
hielten, vertreiben konnte. Dies wurde als ein guter Rat
angesehen, und die vom Kaiser ernannten Senatoren
versammelten sich mit Freude und bestimmten Andronicus zu
ihrem General. Er brauchte nicht lange, seine Armee
aufzustellen und die Verfolgung der Feinde schnell wieder
aufzunehmen. Er fand heraus, dass sie die Alpen
überquert hatten, und dass sie ihre Armee wieder
verstärkt hatten, aber er lieferte ihnen eine Schlacht,
und indem er sich durch ihre dichtesten Reihen von Mann zu
Mann hindurchkämpfte, erschlug er Tottilius und riss
seine Fahne nieder, worauf die Goten flohen, die Schlacht
zog sich noch viele Meilen weiter, so dass alle Wege und
Strassen mit Leichen bedeckt wurden, und in der Verfolgung
setzte er die Königin der Goten gefangen und brachte
sie nach Rom. Für diesen musterhaften Sieg gab es einen
zweiten Triumphzug, und er wurde zum Retter des Vaterlandes
ernannt. Aber seine Freude wurde ein bisschen getrübt
durch den Verlust von fünf seiner Söhne, die
tapfer kämpfend in der Schlacht gefallen waren.
Die Königin der Goten, nun Kaiserin, begann bald der
Grausamkeit ihres Volkes und ihrer eigenen Veranlagung
gemäß ihr wahres Wesen zu zeigen. Sie
überzeugte den leicht bestimmbaren Kaiser, Goten
anstelle seiner engsten Berater und Freunde einzusetzen, und
da sie vor allem dem Andronicus Rache geschworen hatte, weil
er sich am meisten ihrem Fortkommen widersetzt hatte, sorgte
sie dafür, dass er verbannt wurde. Das Volk aber,
dessen Retter er in seiner größten Not gewesen
war, erinnerte sich an dies und seine vielen anderen guten
Dienste und erhob sich einmütig mit Waffen, kam
lärmend zum Palast und drohte, ihn in Feuer zu setzen,
und solche Niedertracht an der Königin zu rächen,
wenn der Beschluss, der gegen alle Vernunft zu Stande
gekommen war, nicht sofort rückgängig gemacht
würde. Dies jagte ihr und dem Kaiser solche Angst ein,
dass dem Verlangen nachgegeben wurde, und nun plante sie auf
privatere Weise und auf geheimere Art ihre Rache und ihren
nicht zu besänftigenden Hass durchzusetzen.
Sie hatte einen Mohren, so rachsüchtig wie sie selbst,
dem sie in vielen großen Dingen vertraute und
gewöhnlich in ihre Geheimnisse einweihte, so weit, dass
sie von ihren privaten Vertraulichkeiten schwanger wurde und
ein Mohrenkind gebar. Das grämte den Kaiser sehr, aber
sie beschwichtigte seinen Zorn, indem sie ihm sagte, es sei
allein durch die Eingebungskraft gezeugt worden, und sie
brachte viele dazu angestiftete Frauen und Ärzte dazu,
zu bezeugen, dass ähnliches schon oft geschehen sei.
Dies brachte den Kaiser dazu, den Mohren in die Verbannung
zu schicken und ihm die Rückkehr nach Rom unter
Todesstrafe zu verbieten. Aber ihre Lust und das Vertrauen,
das sie in ihn gesteckt hatte als wichtigstes Werkzeug zur
Durchführung ihre teuflischen Pläne, bewegte sie
dazu, nach Mitteln zu suchen, diesen Beschluss
rückgängig zu machen. Als sie den Kaiser in gute
Laute gebracht hatte, gab sie vor, krank zu sein, und sagte
ihm, sie hätte eine Vision gehabt, in der ihr befohlen
worden sei, den unschuldigen Mohren aus der Verbannung
zurückzurufen, sonst könne sie nie mehr gesund
werden. Der gütige und gutmütige Kaiser, der ihren
Tränen und Bitten nicht widerstehen konnte, gab
schließlich nach, unter der Bedingung, dass der Mohr
ihr nie mehr unter die Augen kommen dürfe, damit nicht
nochmals ein ähnliches Missgeschick auftreten
könne. Dem stimmte sie zum Scheine zu, und er wurde
unverzüglich zurückgeholt, und die vorherigen
Vertraulichkeiten zwischen den beiden setzten sich wieder
fort, nun aber mehr im Geheimen.
Andronicus hatte außer seinen Söhnen eine sehr
anmutige und schöne Tochter namens Lavinia, die in
allen Tugenden auferzogen worden war, demütig,
freundlich und bescheiden, so dass der Sohn des Kaisers von
einer früheren Frau sich heftig in sie verliebte, ihre
Gunst mit allen tugendhaften und ehrbaren Mitteln zu
erringen versuchte. Nachdem er ihr lange den Hof gemacht
hatte, wurde sie mit der Zustimmung ihres Vaters und des
Kaisers mit ihm verlobt.
Als die Gotenkönigin davon hörte, wurde sie sehr
wütend, denn aus einer solchen Heirat könnten
Prinzen entstammen, und dies hätte ihr ehrgeiziges
Vorhaben, ihre Söhne gemeinsam als Kaiser einzusetzen,
zunichte gemacht. Deshalb bemühte sie sich, dies zu
vereiteln, so gut sie konnte, indem sie erklärte, welch
eine Schande es doch für einen Kaiser sei, seinen Sohn,
der doch eine Königin haben könne mit einem
Königreich als Mitgift, mit der Tochter eines
Untertanen zu verheiraten. Aber als der Prinz sich nicht
davon abbringen ließ, beschloss sie, ihn aus dem Weg
zu schaffen; zwischen ihr, dem Mohren und ihren beiden
Söhnen wurde der Plan ausgeheckt, ihn an eine Jagd im
großen Wald am Ufer des Tiber einzuladen und ihn dort
ermorden. Dies wurde ausgeführt, man schoß ihm
einen vergifteten Pfeil in den Rücken, der an der Brust
wieder herauskam, von dieser Wunde fiel er vom Pferd und
starb sofort. Dann gruben sie eine tiefe Grube mitten im Weg
und warfen ihn hinein, sie deckten sie mit Zweigen leicht zu
und streuten Erde darüber. Als sie dann
zurückkehrten, sagten sie, sie hätten den Prinzen
im Wald verloren, und obwohl sie ihn überall gesucht
hätten, hätten sie ihn nicht finden
können.
Dies, und die erdrückenden Umstände, unter denen
sie gefunden worden waren, war für den Kaiser der
seinen Sohn innig liebte und über seinen Tod sehr
traurig war, Grund genug, ihnen zu glauben. Und obwohl sie
es abstritten mit allen vorstellbaren Schwüren, und
ihre Unschuld beteuerten, [als Gottesurteil] einen
Wettkampf mit ihren Anklägern verlangten, zu dem sie
nach dem Kriegsgesetz berechtigt gewesen wären, wurden
sie unverzüglich in Eisen gelegt und in einen tiefen
Kerker geworfen, zu Ungeziefer, Fröschen, Kröten
Schlangen und anderem. Dort blieben sie trotz all der
Fürbitten, die für sie eingelegt wurden, und sie
mussten den Dreck essen, den sie an diesem Ort fanden.
Schließlich sandte die Königin, die nun ihre
Rache an Andronicus ausführen wollte, den Mohren im
Namen des Kaisers zu ihm mit der Mitteilung, wenn er seine
Söhne von dem unabwendbaren Elend und Tod retten wolle,
müsse er sich seine rechte Hand abhauen und sie an den
Hof schicken. Der gutmütige Vater zögerte keinen
Moment, dies zu tun. Nein, selbst wenn es sein Leben
gebraucht hätte, um sie freizukaufen, er würde
sich leicht davon getrennt haben; er legte seine Hand auf
einen Block und gab dem bösen Mohren sein Schwert,
worauf dieser sie sofort abschlug, und insgeheim über
diese Bosheit lachte. Als er sich darauf mit der Hand auf
den Weg machte, sagte er ihm noch, seine Söhne
würden ihm in wenigen Stunden gesandt; aber
während er sich in der Hoffnung auf ihre Befreiung
freute, kam ein Leichenwagen mit Wachen an seine Türe,
was sein altes Herz zum Erzittern brachte. Als erstes gab
man ihm seine Hand wieder, sie sei nicht angenommen worden,
und als nächstes seine drei Söhne, geköpft.
Bei diesem schmerzhaften Anblick, vom Kummer übermannt,
fiel er ohnmächtig über die Leichen; und als er
wieder zu sich kam, riss er sich seine weißen Haare
aus - sein Haar war vom Alter und vom Aufenthalt in den
Winterlagern zur Verteidigung seines Landes weiß wie
Schnee geworden -, und er vergoß Fluten von
Tränen; aber er fand bei den verhärteten
Bösewichten kein Mitleid, sie ließen ihn mit
Verspottungen in seinen schmerzhaften Klagen bei seiner
gramvollen Tochter zurück. Aber dies war noch nicht
alles, denn gleich danach folgte eine weitere beklagenswerte
Heimsuchung, wie im nächsten Kapitel zu sehen sein
wird.
Dies taten die grausamen Bösewichte, während sie
sie vergeblich anflehte, ihr das Leben zu nehmen, da sie
doch schon ihre Ehre genommen hätten, welche ihr mehr
bedeutet hatte. Und in dieser jämmerlichen Lage
ließen sie die Frau zurück, die durch den
Blutverlust gestorben wäre, wäre nicht ihr Onkel
Marcus, der sie suchen gegangen war, zufällig kurz
danach auf sie gestoßen. Bei diesem jammervollen
Anblick übermannte ihn der Schmerz, fast wäre er
selbst gestorben, aber, als er wieder zu Kräften kam,
verband er ihre Wunden und führte sie heim.
Der Kummer des armen Andronicus über dieses traurige
Unglück war so groß, dass er nicht mit Worten
auszudrücken ist und mit keiner Feder zu beschreiben.
Nur mit Mühe konnten sie ihn davon abhalten, sich
selbst Gewalt anzutun. Er verfluchte den Tag, an dem er
geboren worden war, um solches Elend über sich selbst
und seine Familie fallen zu sehen, und er bedrängte
sie, ihm doch zu sagen, wer sie so schändlich
missbraucht hatte, wenn sie dies irgendwie durch Zeichen tun
könne. Schließlich nahm die arme Frau einen Stab
zwischen ihre Stümpfe und schrieb, während eine
Tränenflut aus ihren Augen stürzte, diese
Zeilen:
"Der stolzen Kaiserin wollüst'ge Knaben
Sind's die die Missetat begangen haben." [Vergleiche
Ballade]
Daraufhin schwor er Rache unter dem Einsatz seines eigenen
Lebens und dem Leben ihrer aller, seine Tochter so
tröstend, da doch sonst nichts mehr dazu reichte.
Andronicus schnitt ihnen die Kehlen durch, während
Lavinia auf seinen Befehl eine Schüssel zwischen ihren
Stümpfen hielt, um das Blut aufzunehmen. Dann brachten
sie die Leichen heimlich zurück in sein Haus, er
schnitt das Fleisch in passende Stücke, zermalmte die
Knochen zu Pulver und machte aus ihnen zwei große
Pasteten. Und dann lud er den Kaiser und die Kaiserin zum
Essen. Sie kamen, da sie sich an seinem Wahnsinn
ergötzen wollten, aber als sie von den Pasteten
gegessen hatten, sagte er ihnen, was es war, und wie er
darauf das Stichwort für seine Freunde gegeben hatte,
kamen diese sofort herbei, erschlugen die Wachen des Kaisers
und schließlich auch den Kaiser und seine grausame
Frau, nachdem sie ihnen genügend lange ihre bösen
Taten unter die Nase gehalten hatten. Darauf ergriffen sie
den gottlosen Mohren, der feige Bösewicht fiel auf die
Knie, versprach, alles zu verraten, aber als er ihnen
erzählt hatte, wie er den Prinzen getötet, die
drei Söhne des Andronicus durch falsche Anschuldigungen
verraten, und wie er zum Missbrauch an der schönen
Lavinia geraten hatte, da wussten sie kaum mehr, welche
gerechten Qualen für ihn zu erfinden wären. Aber
schließlich grub man ein Loch, steckte ihn lebend bis
zum Bauch in die Erde, beschmierte ihn dann mit Honig ,
damit er verhungernd und von Bienen und Wespen gestochen
sein böses Leben kläglich beendete. Danach, um
weitere Qualen zu verhindern, die er erwartete, wenn diese
Dinge bekannt würden, tötete er seine Tochter auf
ihre Bitte hin, und nun, vor Freude, dass er sich an seinen
Feinden voll gerächt hatte, fiel er in sein Schwert und
starb.
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