Die Geschichte von Titus Andronicus / Die Ballade
Englische Version

Deutsche Version des "Dreigroschenromans", gedruckt von Cluer Dicey (1760?)

(Übersetzung: M. Marti)

Die Geschichte von Titus Andronicus,
dem berühmten römischen Feldherrn.

Welcher, nachdem er durch seine Tapferkeit Rom vor der Zerstörung durch die barbarischen Goten gerettet und zweiundzwanzig seiner tapferen Söhne in einem zehnjährigen Krieg verloren, wegen der Heirat des Kaisers mit der Gotenkönigin in Ungnade fiel und verbannt wurde. [Wie,] als er wieder zurückgerufen worden war, der Sohn des Kaisers von seiner ersten Frau von den Söhnen der Kaiserin und einem blutdürstigen Mohren ermordet wurde, und wie, als man es Andronicus' Söhnen anlastete, obwohl er sich die Hand abhieb im Tausch für ihr Leben, sie im Gefängnis ermordet wurden. Wie seine schöne Tochter Lavinia von den Söhnen der Kaiserin vergewaltigt wurde, sie ihr die Zunge abschnitten und die Hände, usw. Wie Andronicus sie erschlug, Pasteten aus ihrem Fleisch machte und sie dem Kaiser und der Kaiserin zum Mahl vorsetzte und sie dann ebenfalls erschlug. Mit dem jämmerlichen Tod, den er dem bösen Mohren zufügte; dann auf ihren Wunsch seine Tochter tötete und sich selbst um weitere Qualen zu vermeiden.

 

Neu übersetzt von der italienischen Vorlage, die in Rom gedruckt wurde.

London: Druck und Verkauf durch C. Dicey im Friedhof von Bow und in seinem Lagerhaus in Northampton.


Die tragische Geschichte von Titus Andronicus
und so weiter.

 

Kapitel 1

Wie Rom von den barbarischen Goten belagert wurde, und drauf und dran war, wegen Hunger aufzugeben, als es unerwartet durch Andronicus gerettet wurde, mit der völligen Niederlage des Feindes, wofür er dann im Triumph empfangen wurde.

Zur Zeit des Theodosius, als das Römische Reich seine volle Größe erreicht hatte, und der größte Teil der Welt seinem kaiserlichen Thron unterworfen war, kam ein barbarisches Volk aus dem Norden, aus Schwedenland, Dänemark und dem Gotenland unter der Führung von Tottilius, seinem König, nach Italien; es war eine so große Zahl, dass sie Italien mit Feuer und Schwert überzogen, Kirchen plünderten, auf eine solch schreckliche und barbarische Weise schwangere Frauen aufschlitzten und Jungfrauen vergewaltigten, dass die Leute vor ihnen wegflohen wie Schafherden.
Um diesem zerstörenden Zustrom der Goten, einem Volk, das barbarisch war und vom Christentum nichts wusste, Einhalt zu bieten, stellte der Kaiser aus Griechenland, Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland und England eine mächtige Armee zusammen und bot ihnen eine Schlacht unterhalb eines Alpenpasses, aber er wurde geschlagen, wobei er 60 000 Mann verlor, und als er nach Rom floh, wurde er in der Stadt von einem gewaltigen Heer der Barbaren belagert, die mit aller Macht versuchten, die Mauern niederzureißen, einzudringen und ein schreckliches Gemetzel unter den Bürgern zu veranstalten, so dass alle, die das noch konnten, aus Angst über den Tiberfluss in ein fernes Land flohen.
Die Belagerung dauerte zehn Monate, es kam zu solch einer Hungersnot, dass nichts Unreines ungegessen blieb; Hunde, Katzen, Pferde, Ratten und Mäuse wurden kostbarste Leckerbissen. Tausende starben in den Strassen vor Hunger, und die meisten von denen, die noch lebten, sahen eher aus wie Glasfiguren als wie lebende Geschöpfe; auf diese Weise zum Äußersten getrieben, kamen die Leute aus dem gemeinen Volk zum Palast des Kaisers und baten ihn mit mitleiderregenden Rufen, ihnen entweder auf irgendeine Weise Essen zu verschaffen, damit sie ihr dahinschwindendes Leben noch behalten konnten, oder aber auf die besten Bedingungen einzugehen und die Tore dem Feind zu öffnen. Dies schlug ihn völlig vor den Kopf. Das erste konnte er nicht, und das andere, so wusste er, würde ihn nicht nur die Krone kosten, wenn er überhaupt mit dem Leben davonkam, sondern es wäre auch der Untergang des Römischen Reiches. Aber dann kam ihm in dieser äußersten Notlage unerwartete Hilfe.
Titus Andronicus, ein römischer Senator und ein wahrer Patriot, hörte in Graecien [Griechenland], wo er Gouverneur der Provinz Achaia war, in welche Schwierigkeiten Rom und sein Herrscher durch barbarische Nationen geraten waren. Er versammelte seine Freunde, und verkaufte, was er an Wertsachen hatte, um Soldaten anzuheuern. Mit seiner kleinen Armee marschierte er dann heimlich los, und (als diese sich in Sicherheit wähnten und gewissermaßen wein- und schlaftrunken waren, da sie vorhatten, am nächsten Tag einen Generalangriff zu unternehmen, bei dem sie zweifellos die Stadt erobert hätten) fiel er über die mächtige Armee des Feindes her; er und seine Söhne drangen in ihr Lager, gefolgt vom Resten veranstalteten sie ein solches Gemetzel, dass ein ausserordentliches Geschrei und Durcheinander entstand.
Einige tauschten ihren Schlaf gegen den Tod, andere kotzten, wegen der Wunden, die sie erhalten hatten, ein Gemisch Wein und Blut; einige verloren sofort ihren Kopf, andere ihre Arme. Tottilius, der durch diese Verwirrung aufwachte, sorgte zuerst, dass seine Königin und die beiden Söhne, die eben erst ins Lager gekommen waren, in Sicherheit gebracht wurden, und dann bemühte er sich, seine flüchtenden Leute wieder zu vereinen, aber da er von Andronicus kühn angegriffen wurde, wurde er von seinem Pferd geworfen und stark verwundet. Viele Leben gingen verloren beim Versuch, ihn wieder aufs Pferd zu bringen. Im fahlen Mondlicht sah er dann, wie groß das Gemetzel war, und da er die Zahl seiner Gegner nicht kannte, ließ er zum Rückzug blasen. Er floh in großer Verwirrung und ließ in seinem Lager Andronicus und seinen Soldaten reiche Beute zurück, den Reichtum vieler geplünderter Nationen. Da diese aber kriegserfahren waren, wollten sie sich in der Nacht nicht damit befassen, sondern blieben in Alarmbereitschaft bis zum Morgen.

Kapitel 2

Wie Titus in einem zehn Jahre dauernden Krieg, wobei er zweiundzwanzig seiner tapferen Söhne verlor, viele berühmte Schlachten gewann, den Gotenkönig Tottilius erschlug und viele andere kühne Taten unternahm usw.

Als die Wachen auf den Mauern Roms das Geschrei und das Geräusch von Waffen gehört hatten, waren sie erstaunt, aber sie konnten sich nicht denken, was es bedeutete, denn das Lager der barbarischen Goten umspannte in einem weiten Kreis die berühmte Stadt. Die Gardehauptleute erstatteten aber dem Kaiser davon Meldung. Die Kundschafter, die dieser dann aussandte, wollten aus Vorsicht in der Nacht nicht allzu nah an den Feind herangehen, und konnten so nur mit Sicherheit berichten, dass sie meinten, das Stöhnen und die Schreie von Sterbenden gehört zu haben.
Jedoch, als sich die Schatten der Nacht verzogen hatten, und die siegreiche Sonne ein fröhliches Licht warf, sahen die Torhüter drei Männer gegen ihr Tor zukommen, und als sie da waren, klopften sie mit großem Nachdruck an die Pforte. Die Torhüter nahmen ihren Mut zusammen und fragten, wer sie seien, und was sie wollten. "Ich bin Andronicus, euer Freund", sagte einer von ihnen, "und ich wünsche zu einem Gespräch mit dem Kaiser vorgelassen zu werden, da die Neuigkeiten, die ich bringe, ihn zweifellos erfreuen werden."
Dabei zog er seinen Helm hoch, und sie erkannten ihn und freuten sich, weil sie wussten, dass er ein sehr guter Patriot war, und nun dachten, er komme wohl wieder, um ihnen zu helfen, wie er das schon oft getan hatte, als sie in großer Bedrängnis waren, vor einigen Jahren, als die Hunnen und Vandalen ins Reich einfielen und von ihm wieder weggejagt worden waren.
Kaum hatte der Kaiser gehört, dass er gekommen war, kam er aus seinem Palast gerannt, um ihn zu treffen, und wollte ihm nicht erlauben, niederzuknien, sondern umarmte ihn so zärtlich wie einen Bruder und sagte: "Willkommen, Andronicus, in dieser Zeit unseres größten Elends. Dein Rat hat mir gefehlt, ich muss wissen, wie wir uns vor diesem barbarischen Feind befreien könnten, gegen den sich unsere Stadt nicht mehr lange wird halten können."
"Bitte, eure Majestät" erwiderte Andronicus, "verbannt diese Sorgen. Die Arbeit ist getan, ohne dass Ihr davon gewusst habt; ich und meine zweiundzwanzig Söhne - und was ich an Freunden und Soldaten auftreiben konnte, sind diese Nacht in ihre Quartiere eingedrungen, haben 50 000 von ihnen ausgelöscht, und die zerstreuten Überreste sind mit ihrem König geflohen."
Der Kaiser war darüber sehr erstaunt, und, obwohl er von der Ehrlichkeit des Andronicus wusste, vermochte er es kaum zu glauben, bis seine eigenen Heerführer kamen und ihm berichteten, die Belagerung sei durch ein schreckliches Gemetzel aufgehoben worden, aber durch wen wüssten sie nicht, es sei denn, die Feinde seien selbst über einander hergefallen, und die Truppen, die sie jetzt noch von bloßem Auge sehen konnten, seien nicht mehr beachtlich. Dies waren aber die Leute, die zu Andronicus gehörten, welche, sobald es Tag wurde, sich unter dem Kommando seiner zweiundzwanzig Söhne an die Verfolgung des Feindes gemacht hatten.
Als sich diese überraschenden Nachrichten in der Stadt verbreitet hatten, war die Freude im Volk außerordentlich groß. Und als die Leute erfuhren, wer ihr Retter war, kamen sie in einer Prozession und sangen sein Lob. Danach fuhr er in einem Triumphwagen durch die Stadt, gekrönt mit Eichenlaub, das Volk schrie, Trompeten erschallten, und die dankbaren Leute zeigten dem Retter ihre Freude auf jede Art und Weise, die ihnen zur Verfügung stand, er selbst aber verhielt sich dabei so bescheiden, dass er die Liebe aller gewann.
Kaum war diese Feier vorüber, bat er den Kaiser, so viele Truppen aufzustellen, wie er nur konnte, und sie mit den Leuten, die er mitgebracht hatte, zu verbinden, und dann die Feinde schleunigst zu verfolgen, bevor sie wieder neue Kräfte sammeln konnten, damit man sie aus Italien und den anderen Ländern, wo sie noch starke Garnisonen hielten, vertreiben konnte. Dies wurde als ein guter Rat angesehen, und die vom Kaiser ernannten Senatoren versammelten sich mit Freude und bestimmten Andronicus zu ihrem General. Er brauchte nicht lange, seine Armee aufzustellen und die Verfolgung der Feinde schnell wieder aufzunehmen. Er fand heraus, dass sie die Alpen überquert hatten, und dass sie ihre Armee wieder verstärkt hatten, aber er lieferte ihnen eine Schlacht, und indem er sich durch ihre dichtesten Reihen von Mann zu Mann hindurchkämpfte, erschlug er Tottilius und riss seine Fahne nieder, worauf die Goten flohen, die Schlacht zog sich noch viele Meilen weiter, so dass alle Wege und Strassen mit Leichen bedeckt wurden, und in der Verfolgung setzte er die Königin der Goten gefangen und brachte sie nach Rom. Für diesen musterhaften Sieg gab es einen zweiten Triumphzug, und er wurde zum Retter des Vaterlandes ernannt. Aber seine Freude wurde ein bisschen getrübt durch den Verlust von fünf seiner Söhne, die tapfer kämpfend in der Schlacht gefallen waren.

Kapitel 3

Wie der Kaiser, der genug hatte von solch einem langwierigen Krieg, gegen den Willen und die Überzeugung des Andronicus die Gotenkönigin heiratete und einen Frieden schloß; wie sie zur Tyrannin wurde, und wie ihre Söhne den Prinzen erschlugen, der mit Andronicus' Tochter verlobt war, und ihn im Wald versteckten.

Die Goten, die an diesen fruchtbaren Ländern nun Gefallen gefunden hatten, beschlossen, sie nicht einfach so aufzugeben, sondern sandten, ermutigt durch Alarich und Abonus, die beiden Söhne des Tottilius, nach frischen Kräften und richteten in den römischen Provinzen weitere Verwüstung an, indem sie noch zehn Jahre den Krieg fortsetzten, in welchem der tapfere Andronicus als oberster General des Reiches viele Siege über sie errang, mit großem Blutverlust auf beiden Seiten. Aber da die Barbaren weiter zunahmen an Zahl, und da der Kaiser Frieden wünschte, kam man überein, er würde Attava, die Gotenkönigin, heiraten, und falls er ohne Nachwuchs sterben sollte, würden ihre Söhne seine Nachfolge im Reich antreten. Andronicus widersetzte sich dem sehr, ebenso wie viele andere, kannte man doch die Schwäche des Kaisers, und wusste man, dass sie, eine sehr hochmütige und herrschsüchtige Frau, ihn lenken würde, wie es ihr gefiel, und das edle Reich würde unter fremder Herrschaft versklavt. Auf kaiserlichen Beschluss kam dies aber zustande, und es wurden große Vorbereitungen getroffen für die königliche Hochzeit, obwohl es darüber sehr wenig Freude im Volk gab, denn was man befürchtet hatte, trat rasch ein.
Die Königin der Goten, nun Kaiserin, begann bald der Grausamkeit ihres Volkes und ihrer eigenen Veranlagung gemäß ihr wahres Wesen zu zeigen. Sie überzeugte den leicht bestimmbaren Kaiser, Goten anstelle seiner engsten Berater und Freunde einzusetzen, und da sie vor allem dem Andronicus Rache geschworen hatte, weil er sich am meisten ihrem Fortkommen widersetzt hatte, sorgte sie dafür, dass er verbannt wurde. Das Volk aber, dessen Retter er in seiner größten Not gewesen war, erinnerte sich an dies und seine vielen anderen guten Dienste und erhob sich einmütig mit Waffen, kam lärmend zum Palast und drohte, ihn in Feuer zu setzen, und solche Niedertracht an der Königin zu rächen, wenn der Beschluss, der gegen alle Vernunft zu Stande gekommen war, nicht sofort rückgängig gemacht würde. Dies jagte ihr und dem Kaiser solche Angst ein, dass dem Verlangen nachgegeben wurde, und nun plante sie auf privatere Weise und auf geheimere Art ihre Rache und ihren nicht zu besänftigenden Hass durchzusetzen.
Sie hatte einen Mohren, so rachsüchtig wie sie selbst, dem sie in vielen großen Dingen vertraute und gewöhnlich in ihre Geheimnisse einweihte, so weit, dass sie von ihren privaten Vertraulichkeiten schwanger wurde und ein Mohrenkind gebar. Das grämte den Kaiser sehr, aber sie beschwichtigte seinen Zorn, indem sie ihm sagte, es sei allein durch die Eingebungskraft gezeugt worden, und sie brachte viele dazu angestiftete Frauen und Ärzte dazu, zu bezeugen, dass ähnliches schon oft geschehen sei. Dies brachte den Kaiser dazu, den Mohren in die Verbannung zu schicken und ihm die Rückkehr nach Rom unter Todesstrafe zu verbieten. Aber ihre Lust und das Vertrauen, das sie in ihn gesteckt hatte als wichtigstes Werkzeug zur Durchführung ihre teuflischen Pläne, bewegte sie dazu, nach Mitteln zu suchen, diesen Beschluss rückgängig zu machen. Als sie den Kaiser in gute Laute gebracht hatte, gab sie vor, krank zu sein, und sagte ihm, sie hätte eine Vision gehabt, in der ihr befohlen worden sei, den unschuldigen Mohren aus der Verbannung zurückzurufen, sonst könne sie nie mehr gesund werden. Der gütige und gutmütige Kaiser, der ihren Tränen und Bitten nicht widerstehen konnte, gab schließlich nach, unter der Bedingung, dass der Mohr ihr nie mehr unter die Augen kommen dürfe, damit nicht nochmals ein ähnliches Missgeschick auftreten könne. Dem stimmte sie zum Scheine zu, und er wurde unverzüglich zurückgeholt, und die vorherigen Vertraulichkeiten zwischen den beiden setzten sich wieder fort, nun aber mehr im Geheimen.
Andronicus hatte außer seinen Söhnen eine sehr anmutige und schöne Tochter namens Lavinia, die in allen Tugenden auferzogen worden war, demütig, freundlich und bescheiden, so dass der Sohn des Kaisers von einer früheren Frau sich heftig in sie verliebte, ihre Gunst mit allen tugendhaften und ehrbaren Mitteln zu erringen versuchte. Nachdem er ihr lange den Hof gemacht hatte, wurde sie mit der Zustimmung ihres Vaters und des Kaisers mit ihm verlobt.
Als die Gotenkönigin davon hörte, wurde sie sehr wütend, denn aus einer solchen Heirat könnten Prinzen entstammen, und dies hätte ihr ehrgeiziges Vorhaben, ihre Söhne gemeinsam als Kaiser einzusetzen, zunichte gemacht. Deshalb bemühte sie sich, dies zu vereiteln, so gut sie konnte, indem sie erklärte, welch eine Schande es doch für einen Kaiser sei, seinen Sohn, der doch eine Königin haben könne mit einem Königreich als Mitgift, mit der Tochter eines Untertanen zu verheiraten. Aber als der Prinz sich nicht davon abbringen ließ, beschloss sie, ihn aus dem Weg zu schaffen; zwischen ihr, dem Mohren und ihren beiden Söhnen wurde der Plan ausgeheckt, ihn an eine Jagd im großen Wald am Ufer des Tiber einzuladen und ihn dort ermorden. Dies wurde ausgeführt, man schoß ihm einen vergifteten Pfeil in den Rücken, der an der Brust wieder herauskam, von dieser Wunde fiel er vom Pferd und starb sofort. Dann gruben sie eine tiefe Grube mitten im Weg und warfen ihn hinein, sie deckten sie mit Zweigen leicht zu und streuten Erde darüber. Als sie dann zurückkehrten, sagten sie, sie hätten den Prinzen im Wald verloren, und obwohl sie ihn überall gesucht hätten, hätten sie ihn nicht finden können.

Kapitel 4

Wie der böse Mohr, der mit der Kaiserin geschlafen hatte, und vor allen andern ihre Gunst gewonnen hatte, die drei Söhne des Andronicus betrog und sie des Mordes am Prinzen bezichtigte, weshalb sie in einen Kerker geworfen wurden, und enthauptet wurden, nachdem ihr Vater sich die Hand abgeschlagen hatte, um sie zu retten.

Kaum hatte die schöne Lavinia vernommen, dass der Prinz vermisst wurde, verfiel sie in große Sorge, in ein Weinen und Klagen, denn im Herzen fühlte sie, dass da irgendein Verrat dahinterstecken musste, und sie bat ihre Brüder deshalb, ihn suchen zu gehen, was sie auch schleunigst taten, aber der Mohr und die beiden Söhnen der Königin folgten ihnen; unglücklicherweise kamen sie über den Weg, wo die Grube gegraben war, sie fielen beide hinein auf die Leiche und, da die Grube so tief war, kamen sie nicht mehr hinaus. Kaum hatten ihre grausamen Feinde dies gesehen, rannten sie zum Hof und sandten Wachen aus, um den ermordeten Prinzen zu suchen. Diese fanden die beiden Söhne des Andronicus bei der Leiche, zogen sie hinauf und führten sie gefangen zum Hof, wo der Mohr und die anderen beiden meineidig gegen sie schwuren, sie hätten oft gehört, wie sie dem Prinzen Rache angedroht hätten, weil er sie in einem Ritterturnier besiegt hatte.
Dies, und die erdrückenden Umstände, unter denen sie gefunden worden waren, war für den Kaiser der seinen Sohn innig liebte und über seinen Tod sehr traurig war, Grund genug, ihnen zu glauben. Und obwohl sie es abstritten mit allen vorstellbaren Schwüren, und ihre Unschuld beteuerten, [als Gottesurteil] einen Wettkampf mit ihren Anklägern verlangten, zu dem sie nach dem Kriegsgesetz berechtigt gewesen wären, wurden sie unverzüglich in Eisen gelegt und in einen tiefen Kerker geworfen, zu Ungeziefer, Fröschen, Kröten Schlangen und anderem. Dort blieben sie trotz all der Fürbitten, die für sie eingelegt wurden, und sie mussten den Dreck essen, den sie an diesem Ort fanden.
Schließlich sandte die Königin, die nun ihre Rache an Andronicus ausführen wollte, den Mohren im Namen des Kaisers zu ihm mit der Mitteilung, wenn er seine Söhne von dem unabwendbaren Elend und Tod retten wolle, müsse er sich seine rechte Hand abhauen und sie an den Hof schicken. Der gutmütige Vater zögerte keinen Moment, dies zu tun. Nein, selbst wenn es sein Leben gebraucht hätte, um sie freizukaufen, er würde sich leicht davon getrennt haben; er legte seine Hand auf einen Block und gab dem bösen Mohren sein Schwert, worauf dieser sie sofort abschlug, und insgeheim über diese Bosheit lachte. Als er sich darauf mit der Hand auf den Weg machte, sagte er ihm noch, seine Söhne würden ihm in wenigen Stunden gesandt; aber während er sich in der Hoffnung auf ihre Befreiung freute, kam ein Leichenwagen mit Wachen an seine Türe, was sein altes Herz zum Erzittern brachte. Als erstes gab man ihm seine Hand wieder, sie sei nicht angenommen worden, und als nächstes seine drei Söhne, geköpft. Bei diesem schmerzhaften Anblick, vom Kummer übermannt, fiel er ohnmächtig über die Leichen; und als er wieder zu sich kam, riss er sich seine weißen Haare aus - sein Haar war vom Alter und vom Aufenthalt in den Winterlagern zur Verteidigung seines Landes weiß wie Schnee geworden -, und er vergoß Fluten von Tränen; aber er fand bei den verhärteten Bösewichten kein Mitleid, sie ließen ihn mit Verspottungen in seinen schmerzhaften Klagen bei seiner gramvollen Tochter zurück. Aber dies war noch nicht alles, denn gleich danach folgte eine weitere beklagenswerte Heimsuchung, wie im nächsten Kapitel zu sehen sein wird.

Kapitel 5

Wie die beiden lüsternen Söhne der Kaiserin mit Hilfe des Mohren Lavinia, die schöne Tochter des Andronicus, auf barbarische Weise vergewaltigten, ihr die Zunge herausschnitten und die Hände abschnitten, damit sie sie nicht verraten konnte; wie sie dies aber dann doch konnte, indem sie mit einem Stab in den Sand schrieb usw.

Wegen dem Verlust ihres Geliebten und ihrer Brüder, die durch Verrat auf so niederträchtige Weise ermordet worden waren, riss sich die liebreizende und schöne Lavinia ihre goldenen Haare aus, vergoß Fluten von Tränen und zerkratzte sich mit den Fingernägeln das schöne Gesicht, das Könige angebetet und mit Verehrung betrachtet hatten. Sie mied jede Gesellschaft, zog sich in die Wälder und Haine zurück, wandte sich an die gefühllosen Bäumen mit ihren mitleiderregenden Klagen und Schreien. Eines Tages, als der Mohr sie dort hatte hingehen sehen, berichtete er es den beiden Söhnen der Königin, welche schon lange vor Lust brannten wie die bösen Alten nach der keuschen Susanna, aber ihre Tugenden waren ein Schild gegen jede Verführung, und so konnten sie [ihr Vorhaben] nur durch Gewalt erreichen. Nun, dachten sie, sei die Gelegenheit für ihr Vorhaben gekommen, sie machten sich sofort auf zum Hain, sie ließen den Mohren als Wachtposten am Rand zurück und fanden sie bald nachdenklich und sorgenvoll, aber zierlich und schön in ihren Tränen. Unvermutet, bevor sie sie hatte sehen können, wie zwei wütende Tiger, ergriffen sie die zitternde Frau, welche sich wehrte, so gut sie konnte, und mitleiderregend um Hilfe schrie. Und als sie sah, wohin ihre bösen Absichten zielten, bot sie ihnen ihren Hals dar, bittend, sie möchten ihr doch das Leben nehmen, aber nicht ihre Ehre. Auf schurkische Weise aber pfählten sie sie an ihrem Haar auf die Erde, banden ihr die Hände auf den Rücken, dann deckten sie ihre Nacktheit auf und erzwangen sich ihren Weg ins Geheimzimmer ihrer Keuschheit, taten es abwechslungsweise, zuerst begann der ältere, der jüngere unterstütze ihn, wie sie es zuvor abgemacht hatten. Und als sie schließlich müde geworden waren vom Sättigen ihrer tierischen Triebe, begannen sie darüber nachzudenken, wie sie davonkommen würden, falls solch eine Greueltat entdeckt würde. Sie riefen darauf den Mohren herbei und fragten ihn um Rat. Als dieser sah, wie weit sie gegangen waren, gab er ihnen den gottlosen Rat, um ganz sicher zu sein, sollten sie ihr die Zunge herausschneiden, damit sie keine Geschichten erzählen könne, und die Hände abhauen, damit sie es nicht mit Schreiben aufdecken könne.
Dies taten die grausamen Bösewichte, während sie sie vergeblich anflehte, ihr das Leben zu nehmen, da sie doch schon ihre Ehre genommen hätten, welche ihr mehr bedeutet hatte. Und in dieser jämmerlichen Lage ließen sie die Frau zurück, die durch den Blutverlust gestorben wäre, wäre nicht ihr Onkel Marcus, der sie suchen gegangen war, zufällig kurz danach auf sie gestoßen. Bei diesem jammervollen Anblick übermannte ihn der Schmerz, fast wäre er selbst gestorben, aber, als er wieder zu Kräften kam, verband er ihre Wunden und führte sie heim.
Der Kummer des armen Andronicus über dieses traurige Unglück war so groß, dass er nicht mit Worten auszudrücken ist und mit keiner Feder zu beschreiben. Nur mit Mühe konnten sie ihn davon abhalten, sich selbst Gewalt anzutun. Er verfluchte den Tag, an dem er geboren worden war, um solches Elend über sich selbst und seine Familie fallen zu sehen, und er bedrängte sie, ihm doch zu sagen, wer sie so schändlich missbraucht hatte, wenn sie dies irgendwie durch Zeichen tun könne. Schließlich nahm die arme Frau einen Stab zwischen ihre Stümpfe und schrieb, während eine Tränenflut aus ihren Augen stürzte, diese Zeilen:
"Der stolzen Kaiserin wollüst'ge Knaben
Sind's die die Missetat begangen haben."
[Vergleiche Ballade]
Daraufhin schwor er Rache unter dem Einsatz seines eigenen Lebens und dem Leben ihrer aller, seine Tochter so tröstend, da doch sonst nichts mehr dazu reichte.

Kapitel 6

Wie Andronicus vorgab, verrückt zu sein, und auf diese Weise die Söhne der Kaiserin in einen Wald lockte, wo er sie an einen Baum band, ihnen die Kehlen durchschnitt, Pasteten aus ihrem Fleisch machte und sie dem Kaiser und der Kaiserin vorsetzte, diese dann erschlug, den Mohren lebendig in die Erde pflanzte und dann seine Tochter und sich selbst umbrachte.

In seinem Elend gab Andronicus vor, wahnsinnig zu sein, und zog wütend durch die Stadt, Pfeile wie eine Herausforderung gegen den Himmel schießend und in die Hölle nach Rache rufend. Dies gefiel vor allem der Kaiserin und ihren Söhnen, die sich nun sicher fühlten. Und obwohl seine Freunde vom Kaiser Gerechtigkeit gegen die Vergewaltiger verlangten, bekamen sie keine Hilfe, sondern er warnte sie davor, weiter darauf zu beharren; sie sahen, dass sie in einem schlechten Lage waren, und dass wahrscheinlich ihr Leben als nächstes dran war, und so berieten sie heimlich zusammen, wie dieses Unheil zu umgehen war und wie sie sich rächen konnten. Sie legten sich im Wald auf die Lauer und als die zwei Söhne zum Jagen kamen, überfielen sie sie und banden sie an einen Baum, wobei sie jämmerlich um Gnade schrien, obwohl sie selbst anderen keine gewährt hatten.
Andronicus schnitt ihnen die Kehlen durch, während Lavinia auf seinen Befehl eine Schüssel zwischen ihren Stümpfen hielt, um das Blut aufzunehmen. Dann brachten sie die Leichen heimlich zurück in sein Haus, er schnitt das Fleisch in passende Stücke, zermalmte die Knochen zu Pulver und machte aus ihnen zwei große Pasteten. Und dann lud er den Kaiser und die Kaiserin zum Essen. Sie kamen, da sie sich an seinem Wahnsinn ergötzen wollten, aber als sie von den Pasteten gegessen hatten, sagte er ihnen, was es war, und wie er darauf das Stichwort für seine Freunde gegeben hatte, kamen diese sofort herbei, erschlugen die Wachen des Kaisers und schließlich auch den Kaiser und seine grausame Frau, nachdem sie ihnen genügend lange ihre bösen Taten unter die Nase gehalten hatten. Darauf ergriffen sie den gottlosen Mohren, der feige Bösewicht fiel auf die Knie, versprach, alles zu verraten, aber als er ihnen erzählt hatte, wie er den Prinzen getötet, die drei Söhne des Andronicus durch falsche Anschuldigungen verraten, und wie er zum Missbrauch an der schönen Lavinia geraten hatte, da wussten sie kaum mehr, welche gerechten Qualen für ihn zu erfinden wären. Aber schließlich grub man ein Loch, steckte ihn lebend bis zum Bauch in die Erde, beschmierte ihn dann mit Honig , damit er verhungernd und von Bienen und Wespen gestochen sein böses Leben kläglich beendete. Danach, um weitere Qualen zu verhindern, die er erwartete, wenn diese Dinge bekannt würden, tötete er seine Tochter auf ihre Bitte hin, und nun, vor Freude, dass er sich an seinen Feinden voll gerächt hatte, fiel er in sein Schwert und starb.

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The Ballad of Titus Andronicus

 


Titus Andronicus' Complaint

To the Tune of Fortune
 

From Richard Johnson's The Golden Garland of Princely Pleasures, printed in 1620.


Die Klage des Titus Andronicus

 

 

Deutsche Übersetzung in: Delius, Nicolaus. Einleitung zu Titus Andronicus, in Bodenstedt, Friedrich (Hrg.), William Shakespeare's dramatische Werke. Leipzig, Brockhaus: 1873. Bd. 8, S. viii-xi

1
You noble minds and famous martial wights,
That in defence of native country fights,
Give ear to me that ten years fought for Rome,
Yet reaped disgrace when I returnèd home.

2
In Rome I lived in fame full threescore years,
By name belovèd dear of all his peers,
Full five-and-twenty valiant sons I had,
Whose forward virtues made their father glad.

3
For when Rome's foes their warlike forces felt,
Against them still my sons and I were sent;
Against the Goths full ten years' weary war
We spent, receiving many a bloody scar.

4
Just two-and-twenty of my sons were slain,
Before we did return to Rome again;
Of five-and-twenty sons I brought but three
Alive the stately towers of Rome to see.

5
When wars were done I conquest home did bring,
And did present my prisoners to the King;
The Queen of Goth, her sons, and eke a Moor,
Which did much murder, like was ne'er before.

6
The Emperor did make this Queen his wife,
Which bred in Rome debate and deadly strife;
The Moor with her two sons did grow so proud
That none like them in Rome was then allowed.

7
The Moor so pleased the new-made Empress' eye
That she consented with him secretly
For to abuse her husband's marriage bed,
And so in time a blackamoor she bred.

8
Then she, whose thoughts to murder were inclined,
Consented with the Moor with bloody mind
Against myself, my kin, and all my friends
In cruel sort to bring them to their ends.

9
So when in age I thought to live in peace,
Both woe and grief began then to increase;
Amongst my sons I had one daughter bright,
Which joyed and pleasèd best my age's sight.

10
My dear Lavinia was betrothed as then
To Caesar's son, a young and noble man,
Who in a hunting by the Emperor's wife
And her two sons bereavèd were of life.

11
He, being slain, was cast in cruel wise
Into a dismal den from light of skies;
The cruel Moor did come that way as then
With my two sons, who fell into that den.

12
The Moor then fetched the Emperor with speed,
For to accuse them of that murderous deed;
And then my sons within the den were found;
In wrongful prison they were cast and bound.

13
But now behold what wounded most my mind,
The Emperor's two sons of tiger's kind
My daughter ravishèd without remorse,
And took away her honour quite perforce.

14
When they had tasted of so sweet a flower
Fearing their sweet should shortly turn to sour,
They cut her tongue, whereby she could not tell
How that dishonour unto her befell.

15
Then both her hands they falsely cut off quite,
Whereby their wickedness she could not write,
Nor with her needle on her sampler sew
The bloody workers of her direful woe.

16
My brother Marcus found her in a wood,
Staining the grassy ground with purple blood
That trickled from her stumps and handless arms.
No tongue at all she had to tell her harms.

17
But when I saw her in that woeful case,
With tears of blood I wet my agèd face;
For my Lavinia I lamented more
Than for my two-and-twenty sons before.

18
Whenas I saw she could not write nor speak,
With grief my agèd heart began to break;
We spread a heap of sand upon the ground,
Whereby those bloody tyrants out we found.

19
For with a staff, without the help of hand,
She writ these words upon that plot of sand:
"The lustful sons of the proud Empress
Are doers of this hateful wickedness."

20
I tare the milk-white hairs from off my head,
I cursed the hour wherein I first was bred;
I wished the hand that fought for country's fame
In cradle's rock had first been stroken lame.

21
The Moor, delighting still in villainy,
Did say, to set my sons from prison free,
I should unto the King my right hand give,
And then my two imprisoned sons should live.

22
The Moor I caused to strike it off with speed,
Whereat I grievèd not to see it bleed,
But for my sons would willingly impart
And for their ransom send my bleeding heart.

23
But as my life did linger thus in pain,
They sent to me my bloodless hand again,
And therewithal the heads of my two sons,
Which filled my dying heart with fresher moans.

24
Then past relief, I up and down did go,
And with my tears writ in the dust my woe;
I shot my arrows towards heaven high,
And for revenge to hell did sometimes cry.

25
The Empress then, thinking I was mad,
Like furies she and both her sons were clad,
She named Revenge, and Rape and Murder they,
To undermine and know what I would say.

26
I fed their foolish veins a certain space,
Until my friends and I did find a place,
Where both her sons unto a post were bound,
Where just revenge in cruel sort was found.

27
I cut their throats, my daughter held the pan
Betwixt the stumps, wherein their blood then ran;
And then I ground their bones to powder small,
And made a paste for pies straight therewithal.

28
Then with their flesh I made two mighty pies,
And at a banquet served in stately wise
Before the Empress set this loathsome meat,
So of her sons' own flesh she well did eat.

29
Myself bereaved my daughter then of life;
The Empress then I slew with bloody knife,
And stabbed the Emperor immediately,
And then myself, even so did Titus die.

30
Then this revenge against their Moor was found:
Alive they set him half into the ground,
Whereas he stood until such time he starved;
And so God send all murderers may be served.

1
Ihr edlen Seelen, Herrn des Kriegerstandes,
Ihr, die ihr kämpft zum Schutz des Vaterlandes,
Hört mich, der zehn Jahr stand für Rom in Wehr,
Doch Schmach erfuhr bei meiner Wiederkehr.

2
Ich lebt' in Rom in Ansehn sechzig Jahr,
Wo ich geliebt von den Genossen war;
Und fünfundzwanzig Söhne hatt' ich da,
Auf deren Tugend stolz der Vater war.

3
Denn wo Roms Feind sich krieg'risch mochte regen,
Mich und die Söhne sandte man dagegen;
Zehn Jahr im Kampf wir mit den Goten rangen,
Um manche blut'ge Wunde zu empfangen.

4
Und zweiundzwanzig meiner Söhne fielen, 
Eh wir nach Rom heimkehrten; von so vielen
Sollten nur drei lebendig mit mir gehn
Und Roms stattliche Türme wiedersehn.

5
So kehrt ich siegreich heim und überbrachte
Dem König die Gefangen, die ich machte:
Die Gotenkön'gin, ihre Söhn und auch
Ein Mohr, ein unerhört mordlust'ger Gauch.

6
Als diese Königin der Kaiser freite,
Da kam's in Rom zu tödlich schlimmem Streite:
Des Mohren und der Söhne Frevelmut
In Rom tat alles, was sie dünkte gut.

7
Der Mohr gefiel so sehr der Kaiserin:
Sie gab sich ihm ganz im geheimen hin,
Sodass ihr ehlich Lager ward entweiht;
Ein Mohrenkind gebar sie mit der Zeit.

8
Mit ihr und seiner Mordlust dann verschwor
Sich gegen mich der blutgesinnte Mohr,
Dass mein Geschlecht und meine Sippen alle
Grausamerweise kämen so zu Falle.

9
Mein Alter, hofft' ich, brächt ich hin in Frieden,
Doch Sorg' und Kummer nur ward mir beschieden:
Zu meinen Söhnen war ein Töchterlein,
Die Wonne meiner alten Tage, mein.

10
Meiner Lavinia ward verlobt sodann
Des Cäsars Sohn, ein junger edler Mann,
Der durch die Frau des Kaisers auf der Jagd
Und deren Söhne wurde umgebracht.

11
Den Toten warf man grausam dann hinein
In eine Grube fern vom Tagesschein.
Mit meinen Söhnen kam der Mohrenbube
Des Weges, und sie stürzten in die Grube.

12
Den Kaiser rief herbei der Mohr sogleich,
Gab ihnen schuld den mörderischen Streich.
Als man dann meine Söhn' im Loch gefunden,
Da wurden sie verhaftet und gebunden.

13
Doch seht! Was mich verletzt mit schwerstem Leide:
Der Kaiserin grausame Söhne beide
Schändeten meine Tochter ohn' Erbarmen
Und raubten mit Gewalt die Ehr' der Armen.

14
Als dieses Paar so süße Blume brach,
Besorgt, es käme Bitterkeit danach,
Schnitt's ihr die Zung' aus, dass sie nicht im Stande
Zu künden, wie ihr zustieß solche Schande,

15
Und beide Hände auch mit grimmen Hiebe,
Damit sie nicht die Untat niederschriebe,
Noch in ihr Tuch mit ihrer Nadel stickte
Das blut'ge Paar, das ihr solch Weh beschickte.

16
Mein Bruder Marcus sie im Wald entdeckte,
Wie sie das Gras mit Purpurblut befleckte,
Das aus den Stümpfen troff der armen Maid:
Die Zunge fehlt' ihr, kundzutun ihr Leid.

17
Als ich so jämmerlich entstellt sie sah,
Mit blut'gem Nass netzt' ich mein Antlitz da;
Und um mein Kind Lavinia klagt' ich mehr
Als um die zweiundzwanzig je vorher.

18
Ich sah, sie konnte schreiben nicht noch sprechen:
Vom Gram begann mein altes Herz zu brechen,
Ein Häufchen Sand ausstreuten wir am Grund,
Wodurch die Wütriche uns würden kund.

19
Denn sie mit einem Stecken, ohne Hand,
Schrieb diese Worte in den Sand:
"Der stolzen Kaiserin wollüst'ge Knaben
Sind's die die Missetat begangen haben."

20
Ich raufte mir vom Haupt mein milchweiß Haar,
Der Stunde flucht' ich, da erzeugt ich war;
Die Hand, die Rom so oft verhalft zum Siege,
Wünscht' ich, sei mir gelähmt schon in der Wiege.

21
Der Mohr, der stets sich freut' an Schurkereien,
Sprach: aus der Haft die Söhne zu befreien,
Sollt' ich die rechte Hand dem Kaiser geben,
So blieben die drei Söhne mir am Leben.

22
Den Mohren hieß ich sie abhauen da
Und traurte nicht, da ich sie bluten sah:
Für meine Söhne hätt' ich ohne Schmerz
Als Lösegeld gesandt mein blutend Herz.

23
Als so in Pein dahin mein Leben schwand,
Sandte man nutzlos mir zurück die Hand
Und mit der Hand die Köpfe der drei Söhne;
Da brach ich aus in neues Qualgestöhne.

24
Ich irrt' umher, für jeden Zuspruch taub,
Und schrieb mein Weh mit Tränen in den Staub
Gen Himmel schoss ich meine Pfeile los
Und rief um Rache oft zum Höllenschoß.

25
Da hat die Kais'rin, die für toll mich hielt,
Samt ihren Söhnen Furien gespielt
(Sie nannte Rache sich, die Raub und Mord)
Mir zum Verderb zu lauschen auf mein Wort.

26
Ein Weilchen ließ ich ihre Narrheit gehn,
Bis meine Freunde ein Versteck ersehn;
Da band man ihre Söhn' an einen Pfosten
Und ließ mich grausam rechte Rache kosten.

27
Ich schnitt die Kehlen ab, Lavinia dann
Hielt das Gefäß, in das der Blutstrom rann.
Zu Pulver ließ ich das Gebein zerhacken,
Um stracks Pastetenteig daraus zu backen.

28
Dann aus dem Fleisch macht' ich Pasteten zwei
Und trug zum Mahle stattlich sie herbei:
Der Kaisrin setzt' ich vor den eklen Fraß,
Die von dem Fleische ihrer Söhne aß.

29
Lavinia bracht' ich um, und streckte hin
Mit blut'gem Messer dann die Kaiserin.
Den Kaiser flugs erstach ich gleicherweise,
Und dann mich selbst: So starb Titus der Greise.

30
Am Mohren tat man diese Rache kund:
Lebendig grub man halb ihn in den Grund,
So festgebannt ließ man ihn Hungers sterben.
Gott möge alle Mörder so verderben!

 

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