Romeo und Julia, Zweiter Akt, 2. Szene, 130-136

 

Romeo: Wouldst thou withdraw it?
For what purpose, love?
Juliet: But to be frank, and give it thee again.
And yet I wish but for the thing I have:
My bounty is as boundless as the sea,
My love as deep; the more I give to thee,
The more I have, for both are infinite.
I hear some noise within; Dear love, adieu.

William Shakespeare, 1591/1596

 

 

 Romeo: Möchtest du dein Herz wieder zurücknehmen? Warum das, meine Liebe?
Juliet: Nur damit ich dir's noch einmal geben könnte - und doch, was wünsch' ich mir damit, als was ich schon habe? Meine Zärtlichkeit ist so grenzenlos als die See, meine Liebe so tief: je mehr ich dir gebe, je mehr ich habe, denn beyde sind unerschöpflich -- Ich höre ein Getöse -- Lebe wohl, mein Geliebter --

C. M. Wieland, 1762-66

 

Romeo: Wollt's du mir ihn entziehn?
Wozu das, Liebe?
Juliet: Um unverstellt ihn dir zurückzugeben,
Allein ich wünsche, was ich habe, nur.
So grenzenlos ist meine Huld, die Liebe
So tief ja wie das Meer. Je mehr ich gebe,
Je mehr auch hab' ich: beides ist unendlich.
Ich hör' im Haus Geräusch; leb' wohl, Geliebter!

August Wilhelm Schlegel, 1797-1810

 

Romeo: Wolltst du ihn mir entziehn?
Wozu das, Liebe?
Juliet: Und ihm freimütig dir zurückzugeben,
Und doch, ich wünsche nichts als was ich habe.
An Güte bin ich grundlos wie das Meer,
An Liebe grad so tief, je mehr ich gebe,
Je mehr ich habe: Beides grenzenlos...
Ich hör im Haus Geräusch: leb wohl, Geliebter!

Friedrich Gundolf, 1925

  

Romeo: Willst du ihn denn zurück?
Wozu, Geliebte?
Juliet: Um frei zu sein, ihn nochmals dir zu geben.
Und doch, ich wünsche nur, was ich schon habe:
Denn meine Lieb' ist endlos wie die See
Und tief: Je mehr ich dir davon gesteh,
Je mehr hab ich, denn grenzenlos sind beide!
Man ruft mich drin. Ade, mein Montague!

Erich Fried, 1963-68

 

Romeo: Zurückziehn willst du ihn?
Wozu, mein Engel?
Juliet: Um frei zu sein, ihn dir zurückzugeben.
Dabei wünsch ich ja nur, was ich schon hab,
Mein Herz ist weit, weitherzig wie die See,
Die Liebe grad so tief: Je mehr ich geb,
Um so mehr hab ich - beides ist unendlich.
Ich hör drin reden. Geh auch schlafen, du.

Frank Günther, 1995

 

Romeo: Willst du ihn widerrufen? Wozu das, Liebste?
Juliet: Nur um freigebig39 zu sein und ihn dir neu zu geben. Und doch wünsche ich nur, was ich [schon] habe. Meine Freigebigkeit40 ist so ohne Grenzen wie das Meer, meine Liebe so tief, je mehr ich dir gebe, desto mehr besitze ich, denn beide sind unendlich. Ich höre etwas drinnen. [Mein] teurer Liebster, lebe wohl.

Ulrike Fritz, 1999

39 frank :Außer 'freigebig' vgl. Lear III.4.20, auch 'freimütig, unverblümt', vgl. Hen. V 1.2.245
40
bounty Vgl. A.Y.L. IV.1.189-192