Hamlet-to sleep/no moreTanztheater Basel, Choreographie Joachim Schlömer, Musik Galina Ustwolskaja und Györgi Ligeti, frei nach William Shakespeare Gespräch mit dem Dramaturgen Xavier Zuber |
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Xavier Zuber erläuterte in einem sehr informativen, mit Dias illustrierten Gespräch die Herangehensweise an einen Shakespeareschen Theatertext aus der Sicht des Tanztheaters. Ausgangspunkt für die außergewöhnliche und eigenwillige Interpretation der Tanztheater-Compagnie war die karge, aber immer eindringliche Musik Galina Ustwolskajas. Diese hatte den Choreographen Joachim Schloemer bereits fasziniert und zu choreographischen Einfällen angeregt, bevor er sich für den Hamlet-Stoff als Thema der Produktion entschieden hatte. Dramaturgisch konzentriert sich die Inszenierung auf einzelne wenige Stränge und Figuren der Hamlet-Geschichte: Hamlets "Nicht-handeln-Können", seine Erniedrigung Ophelias und besonders Ophelias "Ins-Wasser-Gehen". In traumartig aneinandergereihten Szenen werden um diese Kernpunkte - durch TänzerInnen und Musik - Gedankenräume eröffnet, die es erlauben, gewisse Themen zu untersuchen und weiterzuspinnen. Hamlet als zentrale Figur wurde dabei in verschiedenen - engeren und weniger engen - konzentrischen sozialen oder metaphysischen Kreisen konzipiert. Der engste, intimste Kreis entspricht seiner Beziehung zu Ophelia, ein nächster wäre der Bereich der "Schatten" (z.B. Vertraute der beiden wie Horatio, oder Hamlets bzw. Ophelias alter ego), ein weiterer Kreis dann die eigentliche Schattenwelt (Raben), und als äußerste Kreise, die schließlich aber weitgehend fallen gelassen wurden, wären ursprünglich die Bereiche der Eltern und Verwandten (Gertrude, König, Polonius) und der Politik gedacht gewesen. Im Kontrast zu der sich auf höheren psychologischen oder metaphysischen Ebenen abspielenden Tanzhandlung ist die robuste, kernige Figur des Geistes gedacht. Er steht fest (wenn auch, bedingt durch seinen Bierkonsum, etwas schwankend) auf dem Boden der Wirklichkeit, ein englischer Schmierenkomödiant, der verzweifelt versucht, die "eigentliche" Geschichte zu erzählen. Zuber erklärte, das Ziel Schloemers und seiner Truppe sei es, Körper in einen sprechenden Zustand zu versetzen, über körperliche Erfahrungen Zustände herzustellen und sichtbar zu machen. Der dramaturgische Aufbau einer solchen Arbeit ist jedoch immer auch von den Anforderungen der bespielten Bühne und der verfügbaren Tänzer abhängig: Auf der Großen Bühne des Theaters Basel sollten sich Einzelszenen mit Gruppenszenen abwechseln; die ganze Compagnie wurde deshalb in einigen Szenen als "Chor" und "Amplifikator" eingesetzt. Besonders eindrücklich gelang dies in jener Szene, in der ein freies Feld mit Raben dargestellt wurde. Über den weiten, freien Raum und die in Gruppen auftretenden Tänzer konnten die Themen "Vergänglichkeit" und "Tod" intensiv spürbar gemacht werden. Um Hamlets Monolog-Szene "In der Kammer" zu entwickeln, besprach Zuber den Shakespeareschen Text der drei Hauptmonologe ausführlich mit dem Tänzer, der dann improvisatorisch, zusammen mit Schloemer, eine tänzerische Sprache dafür entwickelte. Die abweisende Haltung der Hamlet-Figur dominiert diese Sequenz: immer wieder ist er auf sich selbst, auf den Stuhl/Thron zurückgeworfen, sitzt darauf fest. Immer wieder scheint er im geraden Gang nach vorne an den Bühnenrand gefangen, nur langsam kann er in die Diagonale ausbrechen. Verschiedene Bewegungen und Bewegungstypen deuten unterschiedliche Affekte und Erinnerungen an; so gibt es in seinem Tanz beispielsweise plötzliche Anspielungen an den höfischen Tanz, Erinnerungen an die "heile" höfische Welt. Es geht in dieser Produktion, laut Zuber, auch darum, Theatralität, Geschichte und Status des Textes zu betonen und zu verhandeln: "Hamlet" und "Ophelia" sind dem Publikum bekannte Bühnenfiguren, auch wenn die detaillierte Handlung des Theaterstücks nicht allen geläufig ist. Wie geht man mit diesen Ikonen, mit ihrem "Image" und mit den Erwartungen des Publikums um? Was können die Tänzer uns über diese Figuren heute (noch) erzählen? Eine Shakespearesche Metatheatralität wurde bewusst angestrebt und dadurch illustriert, dass die Tänzer manchmal aus der Rolle "fielen" oder sich zuerst ganz klar in eine Rolle versetzen mussten, bzw. ein bestimmtes Kostüm anziehen mussten, um die Rolle verkörpern zu können. Wie im Schauspiel Stefan Bachmanns scheint auch bei Schloemer die Vorstellung der TänzerInnen als Vermittler wichtig, Vermittler, die dem Publikum etwas über den Stoff erzählen und dadurch über die Rampe eine Verbindung zwischen elisabethanischem Stück und heutiger Zeit herstellen. In der Darstellung des Schicksals und der Demütigung Ophelias gelangen der Kompagnie besonders eindrückliche und berührende Bilder. |
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