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Basler Zeitung, Magazin, 10. November 2001
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Wie
uns dr Schnabel gwachse-n-isch: Shakespeare auf
Mundart
von Sylvia
Zysset
(Öffnen Sie zusätzlich
diese Seite
für Illustrationen zu den Aufführungen des
Sommernachtstraums in Affoltern und Pieterlen)
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Bänz:
Und das es d Lüüt daa au
verstönd, reded miir Natüürli
nüd Babylionisch oder - ee - latynieenisch,
nä, mer macheds öppe so, win is de
Schnabel gwachsen isch.
Sommernachtstraum, Volkstheater
Wädenswil, Übersetzung Emil Bader,
1980.
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Der "monumentale" Shakespeare in schweizerdeutscher Mundart?
Wie reagiert man auf diese Idee? Überrascht,
amüsiert, fasziniert, schockiert? Für den
Schauspieler Bruce Myers (kürzlich in Basel als
Polonius in Peter Brooks Hamlet-Produktion zu sehen),
sind Shakespeares Figuren nicht ideale Fiktionen, sondern
menschlich und unvollkommen. Er findet es deshalb
selbstverständlich, die Stücke des Dramatikers
wenn immer möglich in der lokalen Muttersprache zu
spielen. In der Deutschschweiz ist das aber eine ungewohnte
Vorstellung, denn wollen wir uns hier einen Shakespeare
ansehen, gehen wir doch meist ins Stadttheater, und dort
herrscht seit Einführung der Berufsbühnen im 19.
Jahrhundert die hochdeutsche Sprache vor. Eigentlich eine
bizarre Situation, welche sich aufgrund der Deutschschweizer
Theatergeschichte ergeben hat: Von der Bühne, Ort des
gesprochenen Wortes par excellence, klingt uns meist nicht
Mundart, sondern Hochdeutsch entgegen. Bei
Shakespeare-Inszenierungen bilden vielleicht noch die
Handwerkerszenen im Sommernachtstraum eine Ausnahme;
als unbeholfene Laiendarsteller hat man sie manchmal auch im
Stadttheater Dialekt sprechen hören (so z.B. in Jossi
Wielers Basler Inszenierung 1990). Hamlets Anforderung ans
Schauspiel wird in sprachlicher Hinsicht im Deutschschweizer
Berufstheater aber nicht erfüllt:
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Sinn ond Zwäck isches jo vom Schauspiel, vo
Afang a ond au hüt no, de Natur de Spiegu
änezhebe [...]
Hamlet, MTM-Theater Rothenburg,
Übersetzung Benedikt Troxler, 1998.
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Wenn im Basel des 16. Jh. auf der Pfalz oder auf dem mit
Brettern bedeckten Brunnen am Fischmarkt Theater gespielt
wurde, gab es den sprachlichen Bruch zwischen Bühne und
Zuschauerraum noch nicht. Damals diente eine vorlutherische
oberdeutsche Schriftsprache als deutsch-schweizerische
Bühnensprache. Mundartlich ausgesprochen und mit
schweizerdeutschen Wörtern versetzt, hatte sie für
die Schweiz eine wichtige identitätsstiftende
Bedeutung. Sie ermöglichte einen regen und kreativen
Austausch zwischen verschiedenen lokalen Theatertraditionen
und löste eine eigentliche Blütezeit des
inländischen Theaters aus. Als Zuschauer und
Laienspieler nahm ein Grossteil der Bevölkerung am
Volkstheater teil, denn Theaterspielen war in der Schweiz
damals noch keine Angelegenheit für Profis.
Glückliche Umstände für das Theater offenbar:
im europäischen Theaterleben des 16. Jahrhunderts nahm
die Schweiz zeitweise sogar eine Vorreiterrolle ein.
Shakespeare im Volkstheater
Auch heute hat das schweizerische Laientheater einen
überaus wichtigen, oft unterschätzten Stellenwert.
Mit über einer Million Zuschauern erreicht es viermal
so viele Menschen wie die subventionierten Bühnen, und
das hauptsächlich auf Mundart. Sieht man sich in der
Deutschschweizer Laien- und Jugendtheaterszene um, so trifft
man zunächst auf eine überraschend grosse Anzahl
von Mundart-Shakespeare-Inszenierungen: Weit über 20
Übersetzungen (von zehn verschiedenen Stücken)
sind nach ersten Nachforschungen ans Licht gekommen, und sie
verblüffen durch ihre Kreativität, ihren Wortwitz,
ihre Poesie. Die Vorstellung, dass sich Laienschauspieler
auf Mundart nur an Shakespeares sympathische, aber in ihrer
theatralischen Phantasie doch eher beschränkte
Sommernachtstraum-Handwerker heranwagen sollten, wird
bald widerlegt, wenn man sich diese Übersetzungen
anschaut, die Aufführungskritiken liest und mit den
Leuten spricht, die dabei waren. Sogar Blankverse sind im
Dialekt möglich, wie eine Fassung von Orsinos
Anfangsmonolog aus Was Ihr Wollt beweist:
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Wänn Musig s Fueter isch für d Liebi,
schpiled
Schpiled Frässgelage, das de Gluscht
Vor luter Inebiige chrank wirt und verschtickt.
Das Schtuck namal, es isch so schön
verfloge.
Ou, s isch mer ine wien en laue Wind,
Wo über volli Veielibeetli schtriicht
Und Parfüm schtilt und schänkt
[...]
Was Er
Wänd! oder Di Zwölfti Nacht, Theater
Glarus, Übersetzung Richard Wehrli-Baumann,
1995
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Bei weiteren Nachforschungen trifft man auf begeisterte
Laienschauspieler und die professionellen Regisseure,
Übersetzer und Autoren, mit denen sie zusammenarbeiten.
Obwohl sie unterschiedliche Meinungen zum Thema
Mundart-Shakespeare vertreten, erzählen sie doch alle
enthusiastisch von ihren Erfahrungen mit dem
elisabethanischen Stückeschreiber.
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Shakespeare im Hier
und Jetzt: Spielort Affoltern
Eine immer
wieder geäusserte Überzeugung dieser
Theatermacher ist, dass Shakespeare "ein
Theatertier" war - wie es Regisseur und
Schauspieler Johannes Peyer ausdrückt. Das
Konservieren seiner Stücke in literarischer
Form war ihm bestimmt weit weniger wichtig als ihre
unmittelbare Wirkung im Hier und Jetzt der
Aufführung. Die Stärke des Laientheaters
sieht Peyer (unter Werner Düggelin
Ensemblemitglied in Basel) darin, Theater für
einen bestimmten Raum und ein konkretes Publikum zu
machen. In seiner Übersetzung und Inszenierung
des Sommernachtstraums für die
Aemtlerbühne Affoltern wollte er das Direkte
und Spontane bis in die Sprache hinein spürbar
machen, weshalb Anspielungen an lokale
Gegebenheiten auch während der Probenarbeit
immer wieder in den Mundarttext einflossen. Peyer
ist überzeugt, dass auch Shakespeare so
gearbeitet hat, denn er erachtet dies als
überaus wichtig, "um das Ganze zum Leben zu
bringen, und damit die Aufführung
läuft".
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Regisseur, Uebersetzer
und Schauspieler Johannes
Peyer
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Der Affoltener Traum nahm in einem Festzelt am Rand
eines Waldes im Säuliamt seinen Ausgang. (Öffnen
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Gast am Polterabend von Theseus - in dieser Inszenierung der
reiche Besitzer eines nahegelegenen Kieswerks. Bald
verlagerte sich die Aufführung aber in den Wald hinein
und damit in die geheimnisvolle Feenwelt des Stücks.
Puck und Oberon turnten wie Affen auf den Baumwipfeln und
führten ihre Dialoge in schwindelerregender
Höhe.
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Oberon: Puck, chumm da ane! Magsch du dych na
bsinne;
Es isch emal e schööni Nixe gsii,
Die hät so sphärehelli Harmonie
gsunge,
Dass d'Schtärne d'Baan verlaa händ zum
cho lose.
Puck: Ja, ch'wäiss na guet.
Oberon: Genau i dem Moment,
Du häsch's nöd chönne gesee, da
hät de Amor
En Pfyl abgschosse uf e frommi Frau,
[...]
De Pfyl isch uf e wysses Blüemli gheyt.
Das hätt sich füürroot g'färbt
vor Liebesgluet.
Bring mer die Bluem! Ich ha der si doo
zäigt.
Wenn mer a äim, wo schlaaft, e munzigs
Tröpfli
Uf d'Augelider schtriicht, dänn isch's
passiert:
Er isch is Erschti, won er gseet, vergafft,
Ganz willelos und blind, voll heissem Triib.
Hol mir das Chruut!
Puck: Ich haues wie de Blitz.
Ein Sommernachtstraum, Aemtlerbühne
Affoltern, Übersetzung Johannes Peyer,
1996.
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Gerade die Unmittelbarkeit im nächtlichen Wald
vermochte das Publikum zu packen und verhalf der
Inszenierung zu ihrem grossem Erfolg. Die unheimlichen
Metamorphosen im Stück lösten in dieser
Atmosphäre Reaktionen aus, die es auf einer
Guckkastenbühne wohl nicht gegeben hätte.
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Um-fas-nachtet oder Was Ihr Wollt: Spielort
Villmergen
"Hätt's
dene ächt ins Hirni gschneit, dass sie meinid
sie chönnid nach es paar Komödie jetzt
Shakespeare bringe?" Mit dieser skeptischen Haltung
begegneten einige Villmergener den Plänen der
lokalen Theatergesellschaft, ein
Shakespearestück aufzuführen. Auch die
Schauspieler selbst hatten zuerst ihre Zweifel, als
ihnen der Dramatiker und Übersetzer Paul
Steinmann Shakespeares Was Ihr Wollt
vorschlug. Sie fragten sich, ob diese "hohe Kunst"
etwas mit ihnen zu tun haben könnte. Steinmann
transportierte das Stück in seiner
Übersetzung aber in ein
Villmergen-ähnliches Dorf zur Fasnachtszeit,
und die Aufführungen fanden in einem Saal
statt, in dem im Dorf tatsächlich
Fasnachtsbälle gefeiert werden. Genau so ein
Ball findet unter dem Motto "Illyrien" auch in
Steinmanns Stückfassung statt. Das erwies sich
als guter Einstieg, denn der reale Raum konnte nun
mit dem fiktionalen Geschehen des Stücks
zusammenfliessen, wo es auch bei Shakespeare um
karnevaleske Identitätsverwirrungen geht.
Schauspieler und Publikum lernten die Figuren und
die Geschichte dadurch bald schätzen und waren
überrascht, wie leicht verständlich,
lustig und auch obszön Shakespeares
Stücke sein können.
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Theaterautor,
Uebersetzer und Regisseur Paul
Steinmann
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Tobias: Ritter, Söör Andreas von
Bleichenwang
Rees: Ritter, Söör Tobias von und
zu Rülps und Görps. Wie goods, wie
stoods?
Tobias: S good erscht, wenn s stood.
[Brüllendes Gelächter, Maria
schüttelt nur den Kopf.]
Rees: Äxgüsi Madamm.
Tobias: Dasch kä Madam, dasch euses
Dienschtmeitli. Los, Scharwänzle, Ritter
Bleichmuus.
Rees: Fräulein Scharwänzel! Seer
erfreut iri Bekanntschaft z mache. Mini Fädere
freut sich au. Fräulein Scharwänzel,
schöne Name, ich heisse...
Tobias: Rees, sie heisst Maria, nid
Scharwänzel. Mit scharwänzle hani gmeint:
Um si werbe, si umgurre, uf si loos, wiene Maa.
Rees: Das heisst scharwänzle? Aber doch
nid in aller Oeffentlichkeit. Grüsel.
Maria: Ich wär de gange.
Tobias: Wenn sie jetzt loosch lo abhaue, de
chasch diini schöön Fädere grad
wider zämefalte und hei tue.
Um-fas-nachtet oder Was Ihr Wollt,
Theatergesellschaft Villmergen, Übersetzung
Paul Steinmann, 1996.
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Steinmann, der auch als Theaterpädagoge arbeitet,
glaubt, dass es den Leuten, die ins Theater gehen,
eigentlich egal ist, in welcher Sprache ein Stück
gespielt wird: sie möchten es einfach verstehen.
Gleichzeitig denkt er aber auch, dass sich das Publikum
freut, wenn es im Theater seine eigene Sprache hört.
Ein Mundartlied mitten in einer hochdeutschen Inszenierung
zum Beispiel "trifft eim eifach grad ungschützt i'd
Seel". In der Mundart kommen andere Melodien, Bögen und
Betonungen ins Spiel als im Hochdeutschen, und man kann im
Dialekt nicht alles machen. Steinmann hatte aber bei der
Übersetzungsarbeit nie das Gefühl, es sei ein
Fehler, Shakespeare auf Schweizerdeutsch zu übertragen.
Da es keine standardisierte, geschriebene Sprache ist, gilt
Mundart weniger als die Hochsprache. Mundart ist
täglicher Gebrauch und flüchtig, aber gerade
deshalb passt sie auch so gut zum Theater, findet der Autor.
Dazu lässt sich anmerken, dass ja auch das Englische
zur Zeit Shakespeares noch nicht standardisiert war und
genau diese Offenheit wohl auch den schöpferischen
Umgang des elisabethanischen Dramatikers mit der Sprache
beflügelt hat. Paul Steinmann war jedenfalls
fasziniert, was man in der Mundart alles aus dem Shakespeare
"usechutzele cha".
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Berndeutsch in allen Stillagen: Spielort
Pieterlen
Augenschein bei der
Theatergruppe Galerie im bernischen Pieterlen. Gerade
wird unter professioneller Regie eine Mundartfassung von
Horvàths Himmelwärts geprobt. Obwohl ihre
E Summernachtstroum-Inszenierung 13 Jahre
zurückliegt, ist sofort spürbar, wie gerne sich
die Schauspieler an diese erfolgreiche Arbeit erinnern.
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Regisseur Franz Weber schlug der Gruppe damals das
Stück vor, nachdem er sie bei einer früheren
Regiearbeit kennengelernt hatte. Mario Barisi
(Gründungsmitglied und Präsident der
Galerie) spielte den Peter Squenz und erzählt
heute, wie daraufhin alle zunächst die romantische
Schlegel-Übersetzung lasen. Die erste Reaktion war:
"Nein! Das ist zu schwierig und verwirrend, das geht nicht".
Doch Weber regte die Schauspieler an, sich in Gruppen
aufzuteilen und den Text selbst auf Mundart zu
übersetzen. Für die Elfenwelt suchte man eine
märchenhaft-poetische Sprache, für die Handwerker
bodenständiges Berndeutsch und die Adligen erhielten
einen patrizischen Anstrich mit französischen
Einschüben. In der folgenden einjährigen
Probearbeit liess man das Ganze langsam und gemeinsam
entstehen. Wenn einzelne Sätze schlecht von den Lippen
gingen, wurde geändert, bis die Schauspieler das
Gefühl hatten, es stimmt. Weber war es wichtig, dass
sie an das glauben konnten, was sie sagten. Die Mundart
erleichterte diese Arbeit ungemein. Barisi und Heinz
Rauscher, der den Zettel spielte, berichten, wie viele
Zuschauer nach den Vorstellungen im Gasthof zum
Sternen erfreut zu ihnen kamen: "Jetzt haben wir diesen
Sommernachtstraum endlich von A-Z verstanden!". Vor
zwei Jahren spielte die Gruppe dann Was Ihr Wollt
unter einer deutschen Regisseurin auf Hochdeutsch. Obwohl
auch dies eine spannende Arbeit war, blieb doch das
Gefühl zurück, dass der Funke dort nicht in
gleichem Masse auf Schauspieler und Publikum
übersprang.
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Liebe und Gewalt: Schauplatz Jugendtheater
Eine ganze Anzahl Mundart-Shakespeare-Produktionen
findet sich im Bereich des Jugendtheaters. Sie bestechen oft
durch ihre moderne, erotische Sprache sowie ihre kühnen
Adaptionen. Das Junge Theater Basel lieferte mit
Zettels Traum (1997) und Sweet Hamlet (1999)
zwei erfolgreiche Beispiele, während Paul Steinmann
Romeo und Julia für die Jugendgruppe U21
übersetzt und ins heutige Zürich verlegt hat. Die
Liebesgeschichte findet dort im Milieu zweier sich
bekriegender Jugendbanden (den Montanas und den Kappelers)
statt:
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Julia: E Montana
Romeo: Jo. Und?
Julia:´Nüd. S bedüütet
nüd. S isch nur e Name. S isch nid diini Hand
und nid di Fuess und nid diis Gesicht. S isch nur
de Name. Nüd Wichtigs. Wemer anere Rose
andersch würd säge, würd sie
wäg dem immer no genau gliich guet
schmöcke. Und wenn du nid würdsch Romeo
heisse, wärsch immer no dee, wo mi verliebt
ha.
Romeo: Also, de gimmer e neue Name. Ich will
nümm Romeo heisse und will kei Montana me
sii.
Julia: So eifach good das nid.
Romeo: Wenn ich dich gseene, dunkt mi alles
eifach.
Romeo und Julia - Eine Westside Story,
Jugendgruppe U21, Übersetzung Paul Steinmann,
1997.
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Polyglotter Shakespeare
Gian Gianotti (Regisseur und künstlerischer Leiter
des Theaters Winterthur) hebt am Beispiel Romeo und
Julia Shakespeares sprachliche Vielfalt hervor: Da gibt
es die Sprache der Alten, der Jungen, der verschiedenen
sozialen Schichten, der Verliebten und der Kämpfenden.
Um diesen Reichtum heute zu vermitteln, sollte man sich
überlegen, wie mit den verschiedenen in einem Land
vorhandenen Sprachen gearbeitet werden kann. In seiner
dreisprachigen Inszenierung des Stücks in Fribourg
(1989) liess er die Montagues Hochdeutsch, die Capulets
Französisch und den Gesetzesvertreter Shakespeares
Englisch sprechen. Heute würde er in einem solchen
Projekt aber auch die Mundart viel stärker
einbeziehen.
Theaterspielen sollte laut Gianotti immer eine
möglichst grosse Direktheit haben - vom Schauspieler
wie vom Publikum aus gesehen. Spielt ein Schauspieler in
einer fremden Sprache, braucht er zusätzliche Energien,
um den inneren Ausdruck, der in der eigenen Sprache da ist,
in der fremden umzusetzen: "Da zappen dann Energien wie im
Internet in Sekundenbruchteilen rund um die Welt, statt
unmittelbar eingesetzt werden zu können". Auch beim
Publikum können Verständnis und Emotionen in der
Muttersprache unmittelbarer angesprochen werden: "Es ist
nicht dieser Filter da, wie wenn man mit der Hochsprache
konfrontiert ist, plötzlich das Gefühl hat, man
befinde sich in der Schule, und alle Härchen stellen
sich auf". Im Moment der Kommunikation sollte die Sprache
aber der Figur und ihrem Ausdruck angemessen sein. Eine
hochbürgerliche Sprachästhetik kann sehr
hinderlich sein, "wenn man einen Menschen in der Seele
umarmen will", ein Stück in einem bestimmten Moment
aber gerade das verlangt. Andererseits kann Mundart die
Gefahr der Gemütlichkeit und Behäbigkeit bergen:
"Schweizerdeutsch darf nicht heimelig sein, es muss die
Härte der ständigen Wiedererwägung der
Aussage da sein".
Shakespeares Stücke gehen für Gianotti zurück
auf wichtigste menschliche Grundgedanken und stellen damit
die Basis der Kommunikation dar: "Diese Gedanken muss man
übersetzen können, muss man einem Kind vermitteln
können oder einer alten Person, mit ganz anderen Worten
und einer anderen Mimik." Und Gianotti unterstreicht: "Auch
Mundartsprecher können Profis sein. Mundart ist nicht
Laientum an und für sich, sicher nicht". Eine Aussage,
die sich bei der Beschäftigung mit Mundart-Shakespeare
immer wieder bestätigt. Es ist zu hoffen, dass in
Zukunft auf allen Schweizer Bühnen vermehrt mit Mundart
experimentiert wird, wenn es um die Vermittlung von
Shakespeares Stücken geht - nicht nur in den
Handwerkerszenen im Sommernachtstraum.
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University of Basel, Switzerland
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erstellt: November
2001
revidiert: Mai 2002
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