William Shakespeare

Sonette

 

übersetzt von Markus Marti

 

(Shakespeare: sonnets; work in progress)

 

1, 2, 3, 4, 5/6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15/16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27/28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44/45, 46, 47, 48, 49, 50/51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64 /65, 66, 67/68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78/79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118/119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135 / 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154

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Shakespeares Lyrische Hausapotheke (Anwendungstipps)

 

 1

From fairest creatures we desire increase,
That thereby beauty's rose might never die,
But as the riper should by time decease,
His tender heir might bear his memory;

But thou, contracted to thine own bright eyes,
Feed'st thy light's flame with self-substantial fuel,
Making a famine where abundance lies,
Thyself thy foe, to thy sweet self too cruel.

Thou that art now the world's fresh ornament
And only herald to the gaudy spring,
Within thine own bud buriest thy content,
And, tender churl, mak'st waste in niggarding.

Pity the world, or else this glutton be,
To eat the world's due, by the grave and thee.

1

Wir möchten, dass das Schönste sich vermehrt,
die Rose Schönheit darf uns nie vergehen.
Wenn eine Blüte welkt, soll unversehrt
die Schönheit noch im neuen Trieb bestehen.

Du aber bist so in dich selbst verliebt,
dass nur vom eignen Wachs die Flamme scheint
und sich verzehrt, wo's Überfluss doch gibt.
So grausam machst du dich zum eignen Feind.

Du bist gedacht als Zier der Welt, du lebst
als Bote, kündest von des Frühlings Reiz!
Wenn du in deiner Knospe dich begräbst,
verschwendest, süßer Kerl, du dich im Geiz.

Gib Nahrung dieser Welt, der du gehörst,
statt dass du sündig dich nur selbst verzehrst.

Anm. 1-17

2

VVHen fortie Winters shall beseige thy brow,
And digge deep trenches in thy beauties field,
Thy youthes proud liuery so gaz'd on now,
Wil be a totter'd weed of smal worth held:

Then being askt, where all thy beautie lies,
Where all the treasure of thy lusty daies;
To say within thine owne deepe sunken eyes,
Were an all-eating shame, and thriftlesse praise.

How much more praise deseru'd thy beauties vse,
If thou couldst answere "this faire child of mine
Shall sum my count, and make my old excuse"
Proouing his beautie by succession thine.

This were to be new made when thou art ould,
And see thy blood warme when thou feel'st it could.

2

Wenn die zerfurchte Stirn vom Ansturm leidet,
den vierzig Winter aus den Gräben führen,
dann wird die Jugend, die dich jetzt so kleidet,
ein Fetzen sein, nicht mehr zu reparieren.

Wenn man dann fragt, wo deine Schönheit sei,
wo denn dein Schatz der Jugendzeit vergraben,
kannst du verschämt nur auf die Augen zei-
gen. Schande fraß, was sonst gelobt wir haben.

Wie viel mehr Lob verdientest du doch echt,
wenn du dann sagen könntst: "Dies schöne Kind
ist meines Wirkens Summe, Daseins Recht",
weil man in ihm nun deine Schönheit findt.

Du wärst wie neu gemacht, wenn du dann alt,
und siehst dein Blut noch warm, ist deins auch kalt.

Anm. 1-17- zum Anfang

3

LOoke in thy glasse and tell the face thou vewest,
Now is the time that face should forme an other,
Whose fresh repaire if now thou not renewest,
Thou doo'st beguile the world, vnblesse some mother.

For where is she so faire whose vn-eard wombe
Disdaines the tillage of thy husbandry?
Or who is he so fond will be the tombe,
Of his selfe loue to stop posterity?

Thou art thy mothers glasse and she in thee
Calls backe the louely Aprill of her prime,
So thou through windowes of thine age shalt see,
Dispight of wrinkles this thy goulden time.

But if thou liue remembred not to be,
Die single and thine Image dies with thee.

3

Schau in den Spiegel, sag dann dem Gesicht,
dass es ein andres forme, sei nun Zeit.
Du prellst die Welt, erneuerst du dich nicht,
und lässt auch eine Mutter ungeweiht.

Die schönste Frau, die bisher fruchtlos blieb,
schaut zu, dass ihr ein Mann das Feld bestellt.
Sein eignes Grab wird, wer aus Eigenlieb
sich selbst verweigert einer spätern Welt.

Du bist der Spiegel deiner Mutter, wo
sie selbst sich sieht in ihrer Jugendzeit.
Auch du siehst einst durchs Altersfenster so
trotz Runzeln noch die jetzt so goldne Zeit.

Willst du, dass keiner an dich denkt mehr hier?
Dann stirb nur ledig, nimm dein Bild mit dir!

Anm. 1-17- zum Anfang

4

VNthrifty louelinesse why dost thou spend,
Vpon thy selfe thy beauties legacy?
Natures bequest giues nothing but doth lend,
And being franck she lends to those are free:

Then beautious nigard why doost thou abuse,
The bountious largesse giuen thee to giue?
Profitles vserer why doost thou vse
So great a summe of summes yet can'st not liue?

For hauing traffike with thy selfe alone,
Thou of thy selfe thy sweet selfe dost deceaue,
Then how when nature calls thee to be gone,
What acceptable Audit can'st thou leaue?

Thy vnus'd beauty must be tomb'd with thee,
Which vsed liues th'executor to be.

4

Du bist zwar schön, machst aber zinsenlos
aus deinem Nachlass eine Knauserei.
Natur gibt nichts geschenkt, sie leiht es bloß,
an die, die wie sie selbst sind, frank und frei.

Du schöner Geizhals, sag, weshalb missbrauchst
du dieses Füllhorn, das sie gab zum Geben?
Du Wuchrer ohne Zins, warum verbrauchst
du solche Summen, kannst davon nicht leben?

Betreibst du Handel nur mit dir allein,
wirst du dein süßes Selbst selbst hintergehn,
und wenn du sterben musst, was wird dann sein?
Was bleibt als Nachlass noch von dir bestehn?

Ins Grab muss deine Schönheit ungebraucht,
als dein Vollstrecker lebt sie, wenn gebraucht.

Anm. 1-17- zum Anfang

5

THose howers that with gentle worke did frame,
The louely gaze where euery eye doth dwell
Will play the tirants to the very same,
And that vnfaire which fairely doth excell:

For neuer resting time leads Summer on,
To hidious winter and confounds him there,
Sap checkt with frost and lustie leau's quite gon.
Beauty ore-snow'd and barenes euery where,

Then were not summers distillation left
A liquid prisoner pent in walls of glasse,
Beauties effect with beauty were bereft,
Nor it nor noe remembrance what it was.

But flowers distil'd though they with winter meete,
Leese but their show, their substance still liues sweet.

5

Die Stunden, die in sanftem Tätigsein
den Anblick schufen, der das Aug verwöhnt,
sie werden bald schon wie Tyrannen sein,
und was vor Schönheit strotzt, wird dann entschönt.

Die Zeit, nie müde, führt den Sommer jäh
dem Winter zu und bringt ihn dort zu Fall.
Der Saft gefriert, die Blätter fallen, Schnee
verdeckt die Schönheit, öd wird's überall.

Blieb die Essenz des Sommers nicht bestehn,
als flüssiger Gefangener im Glas,
würd auch der Schönheit Wirkung bald vergehn
und die Erinnerung an dies und das.

Das Destillat bleibt auch im Winter noch:
Man sieht die Rose nicht und riecht sie doch.

Anm. 1-17- zum Anfang

6

THen let not winters wragged hand deface,
In thee thy summer ere thou be distil'd:
Make sweet some viall; treasure thou some place,
With beauties treasure ere it be selfe kil'd:

That vse is not forbidden vsery,
Which happies those that pay the willing lone;
That's for thy selfe to breed an other thee,
Or ten times happier be it ten for one,

Ten times thy selfe were happier then thou art,
If ten of thine ten times refigur'd thee,
Then what could death doe if thou should'st depart,
Leauing thee liuing in posterity?

Be not selfe-wild for thou art much too faire,
To be deaths conquest and make wormes thine heire.

6

Dass Winters grobe Hand dir nicht entstelle
den Sommer, eh du ihn noch destilliert:
Mach ein Gefäß voll, such dir eine Stelle
als Schatzraum, wo sich Schönheit nicht verliert.

Ein Einsatz, den man nicht für Wucher hält,
lässt die, die Zinsen geben, glücklich strahlen,
sie brächten gern ein zweites Dich zur Welt,
und würden zehn Mal zehn für eins dir zahlen.

Viel glücklicher als du wärst Du-mal-Zehn.
Dein zweites Ich, wär's zehn von diesen Zehn:
was kann der Tod dann tun? Musst du auch gehn,
du bliebst noch zehnfach auf der Welt bestehn.

Sei nicht so eigensüchtig - lass beim Sterben
Nicht nur die Würmer deine Schönheit erben.

Anm. 1-17 - zum Anfang

7

LOe in the Orient when the gracious light,
Lifts vp his burning head, each vnder eye
Doth homage to his new appearing sight,
Seruing with lookes his sacred maiesty,

And hauing climb'd the steepe vp heauenly hill,
Resembling strong youth in his middle age,
Yet mortall lookes adore his beauty still,
Attending on his goulden pilgrimage:

But when from high-most pich with wery car,
Like feeble age he reeleth from the day,
The eyes (fore dutious) now conuerted are
From his low tract and looke an other way:

So thou, thy selfe out-going in thy noon:
Vnlok'd on diest vnlesse thou get a sonne.

7

Schau, wie im Osten sanft das junge Licht
den Flammenkopf erhebt! Die Augen preisen
hienieden dankbar die erneute Sicht,
der unsre Blicke heil'ge Ehr erweisen.

Die Sonne, hat sie den Zenith erstiegen,
gleicht einem Mann von kräftiger Statur.
Noch immer sehn wir sie in Schönheit siegen,
und Blicke folgen ihrer goldnen Spur.

Wenn sie beim Abstieg nur mit Vorsicht geht,
und zittert wie ein Greis gen Abend hin,
dann richten unsre Augen sich diskret
von ihrer Bahn ab und woanders hin.

Auch du wirst den Zenith bald übersteigen,
wer achtet dich, kannst keinen Sohn du zeigen?

Anm. 1-17 - zum Anfang

8

MVsick to heare, why hear'st thou musick sadly,
Sweets with sweets warre not, ioy delights in ioy:
Why lou'st thou that which thou receaust not gladly,
Or else receau'st with pleasure thine annoy?

If the true concord of well tuned sounds,
By vnions married do offend thine eare,
They do but sweetly chide thee, who confounds
In singlenesse the parts that thou should'st beare:

Marke how one string sweet husband to an other,
Strikes each in each by mutuall ordering;
Resembling sier, and child, and happy mother,
Who all in one, one pleasing note do sing:

Whose speechlesse song being many, seeming one,
Sings this to thee thou single wilt proue none.

8

Mein Wohlklang, macht Musik dich gar nicht froh?
Freud freut die Freude, Süß findt Süß nicht schal,
Warum stimmt, was du hörst, dich dann nicht so?
Freust du dich etwa noch an deiner Qual?

Wenn in vereinten, abgestimmten Tönen
Akkorde schon dein Ohr beleidigen,
indem sie sanft dein Ledigsein verhöhnen,
kannst du, allein, dich nicht verteidigen.

Hör, wie die Saiten sich verbunden sind,
sie bringen gegenseitig sich zum Klingen,
so wie im Glück auch Vater, Mutter, Kind
gemeinsam einen süßen Ton uns singen.

Vereinte Stimmen klingen fast wie eine,
nur du kannst nie so singen, bist alleine.

Anm. 1-17 - zum Anfang

9

IS it for feare to wet a widdowes eye,
That thou consum'st thy selfe in single life?
Ah; if thou issulesse shalt hap to die,
The world will waile thee like a makelesse wife,

The world will be thy widdow and still weepe,
That thou no forme of thee hast left behind,
When euery priuat widdow well may keepe,
By childrens eyes, her husbands shape in minde:

Looke what an vnthrift in the world doth spend
Shifts but his place, for still the world inioyes it
But beauties waste hath in the world an end,
And kept vnvsde the vser so destroyes it:

No loue toward others in that bosome sits
That on himselfe such murdrous shame commits.

9

Nur dass einst keine Witwe um dich flennt,
willst du dein Selbst im Ledigsein verprassen?
Bedenke: Stirbst du ohne Kind am End,
so weint die Welt, als Weib allein gelassen!

Die Welt wird Witwentränen weinen dann,
weil nichts zurückbleibt, ihren Schmerz zu lindern,
wo jede andre Witwe ihren Mann
doch wiedersehen kann in ihren Kindern.

Verschwendet einer Geld, so wird durch ihn
manch andrer reich, das Geld freut, wem's gehört.
Doch Schönheit, die vergeudet, ist dahin.
Sie muss in Umlauf, sonst wird sie zerstört.

Von Nächstenlieb im Herzen nichts versteht,
wer diese Todsünd an sich selbst begeht.

Anm. 1-17 - zum Anfang

10

FOr shame deny that thou bear'st loue to any
Who for thy selfe art so vnprouident
Graunt if thou wilt, thou art belou'd of many,
But that thou none lou'st is most euident:

For thou art so possest with murdrous hate,
That gainst thy selfe thou stickst not to conspire,
Seeking that beautious roofe to ruinate
Which to repaire should be thy chiefe desire :

O change thy thought, that I may change my minde,
Shall hate be fairer log'd then gentle loue?
Be as thy presence is gracious and kind,
Or to thy selfe at least kind harted proue,

Make thee an other selfe for loue of me,
That beauty still may liue in thine or thee.

10

Sagst du verschämt, du seiest nicht verliebt,
dann schäm dich, denn dies zeigt dich uneinsichtig:
Gib's endlich zu, du wirst sehr wohl geliebt,
dass du niemanden liebst, ist aber richtig.

Von mörderischem Hass bist du besessen,
den du nur gegen dich alleine lenkst:
Dein Dach zu flicken wäre angemessen,
es abzureissen ist's, woran du denkst.

Denk um, dann ändre ich von dir mein Bild,
soll Hass denn schöner wohnen als die Liebe?
Sei, wie dein Äußres wirkt, sei gnädig, mild,
zumindest lieb zu dir aus eignem Triebe!

Mach mehr aus dir, sei's nur aus Lieb zu mir,
dass Schönheit bleibt, in Deinen und in Dir.

Anm. 1-17 - zum Anfang

11

AS fast as thou shalt wane so fast thou grow'st,
In one of thine, from that which thou departest,
And that fresh bloud which yongly thou bestow'st,
Thou maist call thine, when thou from youth conuertest,

Herein liues wisdome, beauty, and increase,
Without this follie, age, and could decay,
If all were minded so, the times should cease,
And threescoore yeare would make the world away:

Let those whom nature hath not made for store,
Harsh, featurelesse, and rude, barrenly perrish,
Looke whom she best indow'd, she gaue the more;
Which bountious guift thou shouldst in bounty cherrish,

She caru'd thee for her seale, and ment therby,
Thou shouldst print more, not let that coppy die.

11

So schnell wirst du mal wachsen, wie du welkst,
in dem von dir, aus dem, was du gespendet.
Das frische Blut, das du jetzt jung verschenkst,
nennst du dann dein, wenn deine Jugend endet.

Darin liegt Weisheit, Schönheit und Vermehren,
statt Alter, Kälte, Tod und Narretei.
Wenn's niemand tut, dann wird die Zeit aufhören,
in sechzig Jahren wär' die Welt vorbei.

Lass, wen Natur nicht zum Bewahren denkt,
nur fruchtlos, formenlos und rauh verenden.
Dir hat sie aber weitaus mehr geschenkt,
freizügig musst du dies Geschenk verwenden.

Ihr Stempel bist du, sollst reproduzieren,
mehr drucken, und nicht die Kopie verlieren.

Anm. 1-17 - zum Anfang

12

VVHen I doe count the clock that tels the time,
And see the braue day sunck in hidious night,
When I behold the violet past prime,
And sable curls or siluer'd ore with white:

When lofty trees I see barren of leaues,
Which erst from heat did canopie the herd
And Sommers greene all girded vp in sheaues
Borne on the beare with white and bristly beard:

Then of thy beauty do I question make
That thou among the wastes of time must goe,
Since sweets and beauties do them-selues forsake,
And die as fast as they see others grow,

And nothing gainst Times sieth can make defence
Saue breed to braue him, when he takes thee hence.

12

Wenn ich den Stundenschlag der Uhr vernehme,
und seh den Tag in schwarze Nacht versinken,
wenn ich ein Veilchen am Verwelken sehe,
und Silberweiß aus schwarzen Locken blinken,

wenn hohe Bäume jetzt kein Blatt mehr tragen,
die vor der Hitze noch das Vieh bewahrt,
und Sommers Grün, in Garben weggetragen,
wird nun mit weißen Stoppeln aufgebahrt:

Wo bleibt dann deine Schönheit, frag ich mich:
Du wirst in der Verschwendung untergehn!
Lässt Süß das Süß, und Schön das Schön im Stich,
so wird es sterbend andre wachsen sehn.

Was kann der Sichel Zeit denn widerstehn?
Nur eigen Blut, das bleibt, musst du schon gehn.

Anm. 1-17 - zum Anfang

13

O That you were your selfe, but loue you are
No longer yours, then you your selfe here liue,
Against this cumming end you should prepare,
And your sweet semblance to some other giue.

So should that beauty which you hold in lease
Find no determination, then you were
You selfe again after your selfes decease,
When your sweet issue your sweet forme should beare.

Who lets so faire a house fall to decay,
Which husbandry in honour might vphold,
Against the stormy gusts of winters day
And barren rage of deaths eternall cold?

O none but vnthrifts! "Deare my loue you know,
You had a Father," let your Son say so.

13

O wärt Ihr doch Euch selbst, doch liebt Ihr Tor
Euch selber nicht, wenn Ihr für Euch nur lebt.
Das Ende naht, bereitet Euch jetzt vor,
indem Ihr Eure Form auch andern gebt.

Schaut, dass die Schönheit, welche Euch verliehn,
nach Eurem Tod kein Ende finden muss.
Ihr wärt Euch selbst noch, wärt Ihr auch dahin,
gäb's Euer süßes Blut aus Eurem Guss.

Wer lässt denn so ein stattlich Haus verfallen,
verwaltet es nicht, wie es sich gehört,
dass Winterstürme es nicht überfallen,
und todeskalte Wut es nicht zerstört?

Verschwendung wär's! So spräche Euer Sohn:
"Hattet nicht Ihr auch einen Vater schon?"

vgl. Anm. zu thou/you - zum Anfang

14

NOt from the stars do I my iudgement plucke,
And yet me thinkes I haue Astronomy,
But not to tell of good, or euil lucke,
Of plagues, of dearths, or seasons quallity,

Nor can I fortune to breefe mynuits tell;
Pointing to each his thunder, raine and winde,
Or say with Princes if it shal go wel
By oft predict that I in heauen finde.

But from thine eies my knowledge I deriue,
And constant stars in them I read such art
As truth and beautie shal together thriue
If from thy selfe, to store thou wouldst conuert:

Or else of thee this I prognosticate,
Thy end is Truthes and Beauties doome and date.

14

Nicht aus den Sternen les ich das Geschick,
und doch beherrsche ich Astronomie.
Zwar weiß ich nichts von Unglück oder Glück,
von Ernten, Hungersnot, Epidemie,

ich kann dir nicht genau auf die Minute
verkünden, ob es donnre, regne, winde,
noch ob die nächste Herrschaft eine gute,
aus dem, was ich im Sternenhimmel finde.

Doch deine Augen lassen mich erfahren,
wie aus den Sternen les ich da: Die Kunst
des Wahren wird sich mit dem Schönen paaren,
wenn du von dir dich löst, dir Kinder gönnst.

Dein Tod sonst, kann ich dir schon prophezeihn,
würd' auch des Wahren, Schönen Ende sein.

Anm. 1-17 - zum Anfang

15

WHen I consider euery thing that growes
Holds in perfection but a little moment.
That this huge stage presenteth nought but showes
Whereon the Stars in secret influence comment.

When I perceiue that men as plants increase,
Cheared and checkt euen by the selfe-same skie:
Vaunt in their youthfull sap, at height decrease,
And were their braue state out of memory.

Then the conceit of this inconstant stay,
Sets you most rich in youth before my sight,
Where wastfull time debateth with decay
To change your day of youth to sullied night,

And all in war with Time for loue of you
As he takes from you, I ingraft you new.

15

Wenn ich bedenk, dass alles, was entsteht,
nur einmal für ganz kurze Zeit brilliert,
als Schauspiel über diese Bühne geht,
das sich die Sterne für sich arrangiert,

Wenn ich wie Pflanzen Menschen wachsen sehe,
beklatscht vom Himmel, der ihr Lenker ist,
im jungen Safte gehn sie in die Höhe,
dann welken sie noch, bis man sie vergisst.

Vergänglichkeit - als Einfall der Regie -
lässt jugendlich Euch auf der Bühne wandeln,
wo Zeit und Tod sich darum streiten, wie
sie Euren Tag in dumpfe Nacht verwandeln.

Die Zeit bekämpf ich, Euch aus Liebe treu,
was sie Euch nimmt, das setz ich wieder neu.

vgl. Anm. zu thou/you - zum Anfang

16

BVt wherefore do not you a mightier waie
Make warre vppon this bloudie tirant time?
And fortifie your selfe in your decay
With meanes more blessed then my barren rime?

Now stand you on the top of happie houres,
And many maiden gardens yet vnset,
With vertuous wish would beare your liuing flowers,
Much liker then your painted counterfeit:

So should the lines of life that life repaire
Which this (Times pensel or my pupill pen)
Neither in inward worth nor outward faire
Can make you liue your selfe in eies of men,

To giue away your selfe, keeps your selfe still,
And you must liue drawne by your owne sweet skill,

16

Doch weshalb wollt Ihr nicht mit noch mehr Macht
der mörderischen Zeit den Krieg erklären,
und Euch mit Mitteln festigen zur Schlacht,
die besser noch als schlichte Reime wären?

Ihr habt die Spitze Eures Glücks erstiegen,
und vieler Frauen Gärten stehn noch wild,
die, fromm bepflanzt, Euch eigne Blumen trügen,
Euch ähnlicher als dies gemalte Bild.

Des Lebens Bahn könnt das noch korrigieren,
was Zeit breit pinselt, mein Stift zittrig zieht,
das Innre oder Äussre reparieren,
dass man Euch, wie Ihr wirklich seid, auch sieht.

Wenn Ihr Euch weggebt, bleibt Ihr dauerhaft,
gezeichnet dann aus eigner süßer Kraft.

vgl. Anm. zu thou/you - zum Anfang

17

VVHo will beleeue my verse in time to come
If it were fild with your most high deserts?
Though yet heauen knowes it is but as a tombe
Which hides your life, and shewes not halfe your parts:

If I could write the beauty of your eyes,
And in fresh numbers number all your graces,
The age to come would say this Poet lies,
Such heauenly touches nere toucht earthly faces.

So should my papers (yellowed with their age)
Be scorn'd, like old men of lesse truth then tongue,
And your true rights be termd a Poets rage,
And stretched miter of an Antique song.

But were some childe of yours aliue that time,
You should liue twise in it, and in my rime.

17

Wer glaubte später noch an meinen Reim,
wär' er mit wohl verdientem Lob gefüllt?
Doch weiß der Himmel, dies ist nur ein Schrein,
der uns die Hälfte zeigt, den Rest verhüllt.

Wenn ich bloß Eure Augen treu beschreibe
und dann von Eurer Anmut noch bericht',
wird wohl gesagt, der Dichter übertreibe,
so himmlisch sei kein menschliches Gesicht.

Mein Werk, vom Alter gelb, wird abgetan
und für Geschwafel alter Leut gehalten,
als Dichters Freiheit gilt die Wahrheit dann,
wie Füllwerk in den Epen unsrer Alten.

Ihr lebtet doppelt, gäb's zum Werk ein Kind,
in dem man meinen Vers bewiesen find't.

vgl. Anm. zu thou/you - zum Anfang

18

SHall I compare thee to a Summers day?
Thou art more louely and more temperate:
Rough windes do shake the darling buds of Maie,
And Sommers lease hath all too short a date:

Sometime too hot the eye of heauen shines,
And often is his gold complexion dimm'd,
And euery faire from faire some-time declines,
By chance, or natures changing course vntrim'd:

But thy eternall Sommer shall not fade,
Nor loose possession of that faire thou ow'st,
Nor shall death brag thou wandr'st in his shade,
When in eternall lines to time thou grow'st,

So long as men can breath or eyes can see,
So long liues this, and this giues life to thee.

18

Ob ich wie einen Frühlingstag dich finde?
Du bist mir viel gemäßigter und lieber.
Die Maienknospen zittern noch im Winde,
da ist des Sommers Wohnrecht schon vorüber.

Mal scheint des Himmels Auge viel zu heiß,
und oft wirkt seine goldne Farbe düster,
und bald verliert die Schönheit ihren Reiz,
wird durch ein Unglück oder Altern wüster.

Dein ewger Frühling aber wird nicht bleich,
und deine Schönheit wird dir nie entgleiten,
der Tod nicht prahlen, sei'st in seinem Reich,
du wächst in diesen Zeilen durch die Zeiten.

So lang noch Augen sehn und Menschen leben,
so lang lebt dies Gedicht und gibt dir Leben.

[Anm.18] - zum Anfang

19

DEuouring time blunt thou the Lyons pawes,
And make the earth deuoure her owne sweet brood,
Plucke the keene teeth from the fierce Tygers yawes,
And burne the long liu'd Phaenix in her blood,

Make glad and sorry seasons as thou fleet'st,
And do what ere thou wilt swift-footed time
To the wide world and all her fading sweets:
But I forbid thee one most hainous crime,

O carue not with thy howers my loues faire brow,
Nor draw noe lines there with thine antique pen,
Him in thy course vntainted doe allow,
For beauties patterne to succeding men.

Yet doe thy worst ould Time dispight thy wrong,
My loue shall in my verse euer liue young.

19

Gefräßge Zeit, mach Löwenkrallen stumpf,
die Erde lass verschlingen ihre Brut,
zieh scharfe Zähne aus des Tigers Schlund,
verbrenn den Phönix nur in seinem Blut!

Bring Glück und Unglück, während du entfliehst,
mach nur, was du sonst immer tust hienieden
aus dieser Welt und allem, was du siehst!
Nur eines, das verbiet ich dir entschieden:

Die Stirn des Liebsten, kerb sie nicht mit Stunden,
zieh mit dem Alterspinsel keinen Strich!
Lass ihn stets unberührt auf deinen Runden
als künftig Muster für den Mann an sich.

Hältst du dich nicht an diese Regelung,
hält wenigstens mein Vers den Liebsten jung.

[Anm.19] - zum Anfang

20

A Womans face with natures owne hand painted,
Haste thou the Master Mistris of my passion,
A womans gentle hart but not acquainted
With shifting change as is false womens fashion,

An eye more bright then theirs, lesse false in rowling:
Gilding the obiect where-vpon it gazeth,
A man in hew all Hews in his controwling,
Which steales mens eyes and womens soules amaseth.

And for a woman wert thou first created,
Till nature as she wrought thee fell a dotinge,
And by addition me of thee defeated,
By adding one thing to my purpose nothing.

But since she prickt thee out for womens pleasure,
Mine be thy loue and thy loues vse their treasure.

20

Natürlich feminin ist dein Gesicht,
du Frau und Meister meiner Leidenschaft!
Jedoch dein edles Frauenherz ist nicht
- wie das der falschen Frauen - wechselhaft.

Dein Auge rollt nicht falsch, ist hell und prächtig,
vergoldet das Objekt, auf das es blickt.
Geformt als Mann, doch aller Formen mächtig,
die Frauenherz und Männeraug entzückt.

Als Frau hättst du geschaffen werden müssen,
wenn nicht Natur gleich für dich Feuer fing.
Sie fügte, den Rivalen auszuschließen,
in das für mich bestimmte Loch ein Ding.

Obwohl du nun zur Frauen Freud bestückt,
bleib mir treu, wenn dein Ding auch sie beglückt.

[Anm.20]- zum Anfang

21

SO is it not with me as with that Muse,
Stird by a painted beauty to his verse,
Who heauen it selfe for ornament doth vse,
And euery faire with his faire doth reherse,

Making a coopelment of proud compare
With Sunne and Moone, with earth and seas rich gems:
With Aprills first borne flowers and all things rare,
That heauens ayre in this huge rondure hems,

O let me true in loue but truly write,
And then beleeue me, my loue is as faire,
As any mothers childe, though not so bright
As those gould candells fixt in heauens ayer:

Let them say more that like of heare-say well,
I will not prayse that purpose not to sell.

21

Wie jenem Musenjünger geht's mir nicht,
der, um den Vers noch weiter zu polieren,
den Himmel braucht als Schmuck für sein Gedicht,
um Schön mit Schönerm durchzuexerzieren;

vergleichend zieht er dabei stolz herbei
des Meers Juwelen, Sonne, Mond und Welt
und Frühlingsblumen und was sonst grad neu
und rar ist unterm grossen Himmelszelt.

So ehrlich, wie ich lieb, sei mein Gedicht:
Drum glaubt mir nur, mein Liebchen ist so schön
wie jeder Mutter Kind - und leuchtet nicht
wie goldne Kerzen in den Himmelshöhn.

Wer's gerne tut, mag noch mehr Lob erweisen,
ich will, was unverkäuflich bleibt, nicht preisen.

[Anm.21]- zum Anfang

22

MY glasse shall not perswade me I am ould,
So long as youth and thou are of one date,
But when in thee times forrwes I behould,
Then look I death my daies should expiate.

For all that beauty that doth couer thee,
Is but the seemely rayment of my heart,
Which in thy brest doth liue, as thine in me,
How can I then be elder then thou art?

O therefore loue be of thy selfe so wary,
As I not for my selfe, but for thee will,
Bearing thy heart which I will keepe so chary
As tender nurse her babe from faring ill,

Presume not on thy heart when mine is slaine,
Thou gau'st me thine not to giue backe againe.

22

Der Spiegel hält mein Alter mir verborgen,
so lange du die reine Jugend bist.
Bemerkt' an dir ich jedoch Alterssorgen,
dann ende, Tod, auch meiner Tage Frist!

Denn alles, was so wunderschön an dir,
ist Kleidung für mein eignes Herz doch nur,
dies schlägt in deiner Brust wie deins in mir:
Wie könnte ich dann älter sein als du?

Pass auf dich auf, mein Liebling, rat ich dir,
ich tu dasselbe auch um deinetwillen;
so sanft nur trage ich dein Herz in mir,
wie Ammen kleine Kinder, die sie stillen.

Hoff nicht aufs eigne Herz, schlägt meines nimmer,
du gabst mir deins und ich behalt's für immer.

[Anm.22] - zum Anfang

23

AS an vnperfect actor on the stage,
Who with his feare is put besides his part,
Or some fierce thing repleat with too much rage,
Whose strengths abondance weakens his owne heart;

So I for feare of trust, forget to say,
The perfect ceremony of loues right,
And in mine owne loues strength seeme to decay,
Ore-charg'd with burthen of mine owne loues might:

O let my books be then the eloquence,
And domb presagers of my speaking brest,
Who pleade for loue, and look for recompence,
More then that tonge that more hath more exprest.

O learne to read what silent loue hath writ,
To heare wit eies belongs to loues fine wiht.

23

Gleich wie ein Neuling auf der Bühne, der
vor Lampenfieber aus der Rolle fällt,
und wie ein Untier, reizt man es noch mehr,
vor Wut sich selbst um seine Stärke prellt,

trau ich vor Scheu mich nicht, dir zu gestehn,
dass ich dich liebe, wie es üblich wär'.
In stummer Liebe muss ich untergehn,
denn solcher Liebe Last drückt mich zu sehr.

Betrachte, was ich schreibe, als gesagt,
als stumme Gesten, die mein Herz sich traut,
das so um Deine Gunst zu bitten wagt,
mit fester Stimme nicht, doch trotzdem laut.

Dann lies hier, was die Liebe stumm geschrieben:
Mit Augen hören, heißt verfeinert lieben.

[Anm.23] - zum Anfang

24

MIne eye hath play'd the painter and hath steeld,
Thy beauties forme in table of my heart,
My body is the frame wherein ti's held,
And perspectiue it is best Painters art.

For through the Painter must you see his skill,
To finde where your true Image pictur'd lies,
Which in my bosomes shop is hanging stil,
That hath his windowes glazed with thine eyes:

Now see what good-turnes eyes for eies haue done,
Mine eyes haue drawne thy shape, and thine for me
Are windowes to my brest, where-through the Sun
Delights to peepe, to gaze therein on thee

Yet eyes this cunning want to grace their art
They draw but what they see, know not the hart.

24

Mein Auge hat den Maler nachgeahmt,
es stach mir deine Form ins Herz mit Stahl.
Von meinem Körper ist dein Bild umrahmt,
die Perspektive meisterhaft, genial:

Nur durch den Maler sieht man es genau.
Fragst du, wo denn dein treues Abbild bleibe?
In meinem Brustkorb hängt es jetzt zur Schau,
und deine Augen sind die Fensterscheiben.

Schau nur, wozu doch unsre Augen taugen:
Mit meinen Augen zeichnete ich dich!
In meine Brust sieht man durch deine Augen,
da blinzelt schon die Sonne durch, auf dich!

Ein letzter Kunstkniff fehlt den Augen stets:
Sie zeichnen, was sie sehen, nicht das Herz.

[Anm.24]- zum Anfang

25

LEt those who are in fauor with their stars,
Of publike honour and proud titles bost,
Whilst I whome fortune of such tryumph bars
Vnlookt for ioy in that I honour most;

Great Princes fauorites their faire leaues spread,
But as the Marygold at the suns eye,
And in them-selues their pride lies buried,
For at a frowne they in their glory die.

The painefull warrier famosed for worth,
After a thousand victories once foild,
Is from the booke of honour rased quite,
And all the rest forgot for which he toild:

Then happy I that loue and am beloued
Where I may not remoue, nor be remoued.

25

Soll'n die, die von den Sternen reich beschert,
sich nur mit Titeln brüsten, hoher Ehr!
Obwohl das Glück mir solche Gunst verwehrt,
erfreut im Stillen mich, was ich verehr'.

Die Günstlinge der Fürsten schießen hoch,
die Sonne gibt den Ringelblumen Pracht.
In sich zerfällt der ganze Stolz jedoch,
's ist aus, sobald die Sonne nicht mehr lacht.

Der kampf- und schmerzerprobte Krieger, der
nach tausend Siegen einmal unterliegt,
ist ausgelöscht schon aus dem Buch der Ehr',
vergessen alles, wofür er gekriegt.

Wie glücklich ich, ich lieb' und werd' geliebt,
wo ich nicht schiebe und man mich nicht schiebt.

[Anm.25] - zum Anfang

26

LOrd of my loue, to whome in vassalage
Thy merrit hath my dutie strongly knit;
To thee I send this written ambassage
To witnesse duty, not to shew my wit.

Duty so great, which wit so poore as mine
May make seeme bare, in wanting words to shew it;
But that I hope some good conceipt of thine
In thy soules thought (all naked) will bestow it:

Til whatsoeuer star that guides my mouing,
Points on me gratiously with faire aspect,
And puts apparrell on my tottered louing,
To show me worthy of thy [Q: their] sweet respect,

Then may I dare to boast how I doe loue thee,
Til then, not show my head where thou maist proue me

26

Mein Herr bist du, ich bin Vasall, dein eigen,
in Pflicht ergeben hält mich dein Verdienst.
Dies Schreiben soll nicht meinen Sprachwitz zeigen,
es meldet mich nur pflichtgemäß zum Dienst.

Die Pflicht ist groß, und mein Verstand ist klein,
der Brief so ärmlich, weil mir Worte fehlen;
doch hoff' ich, dir fällt etwas Gutes ein,
das wird dies nackte Zeugnis dann beseelen.

Sollt' einst ein Stern, der meine Wege leitet,
mit günstigem Aspekt auf mich hinweisen,
indem er meine Liebe neu bekleidet,
werd' ich mich deiner Achtung würdig weisen.

Dann werd' ich laut von meiner Liebe reden,
jetzt bleibt mein Kopf gesenkt, dir treu ergeben.

[Anm.26]- zum Anfang

27

WEary with toyle, I hast me to my bed,
The deare repose for lims with trauaill tired,
But then begins a iourny in my head
To worke my mind, when boddies work's expired.

For then my thoughts (from far where I abide)
Intend a zelous pilgrimage to thee,
And keepe my drooping eye-lids open wide,
Looking on darknes which the blind doe see.

Saue that my soules imaginary sight
Presents their shaddoe to my sightles view,
Which like a iewel (hunge in gastly night)
Makes blacke night beautious, and her old face new.

Loe thus by day my lims, by night my mind,
For thee, and for my selfe, noe quiet finde.

27

Erschöpft vom Tagwerk lege ich mich nieder.
Wenn ich doch einmal nur Erholung fände!
Doch da beginnt im Kopf das Reisen wieder,
nun schafft der Geist, wo Körpers Werk zu Ende.

Weil die Gedanken sich (nun ohne Glieder)
zu dir auf frommer Pilgerreis' befinden,
sind weit geöffnet meine müden Lider
und starren in das Dunkel wie die Blinden,

wobei Dein Bild, das meine Seele macht,
dem Unsichtbaren die Kontur verleiht:
Es strahlt wie ein Juwel in dunkle Nacht,
die nun von ihrer Hässlichkeit befreit.

Nur deinetwegen werd' ich, Tag und Nacht,
von Geist und Gliedern um den Schlaf gebracht.

[Anm.27] - zum Anfang

28

HOw can I then returne in happy plight
That am debard the benifit of rest?
When daies oppression is not eazd by night,
But day by night and night by day oprest.

And each(though enimes to ethers raigne)
Doe in consent shake hands to torture me,
The one by toyle, the other to complaine
How far I toyle, still farther off from thee.

I tell the Day to please him thou art bright,
And do'st him grace when clouds doe blot the heauen:
So flatter I the swart complexiond night,
When sparkling stars twire not thou guil'st th' eauen.

But day doth daily draw my sorrowes longer,
And night doth nightly make greefes length seeme stronger.

28

Wie kann ich nur zurückkehrn froh gestimmt,
solang mir keinerlei Erholung glückt?
Wenn mir die Nacht den Tagesdruck nicht nimmt,
nur Tag die Nacht und Nacht den Tag bedrückt?

Und Tag und Nacht, obwohl einander Feind,
um mich zu quälen, schütteln sie die Hände.
Der Tag bringt Mühe - und die Nacht beweint,
wie weit ich mich schon von dir weg befände.

Dem Tage schmeichelnd sag ich, deine Pracht
sei selbst, wenn sich der Himmel deckt, ihm hold.
Und dann flattiere ich der schwarzen Nacht,
wenn keine Sterne glitzern, seist du Gold.

Der Tag macht täglich meine Sorgen länger,
und nachts, da wird's mir nächtlich bang und bänger.

[Anm.28] - zum Anfang

29

VVHen in disgrace with Fortune and mens eyes,
I all alone beweepe my out-cast state,
And trouble deafe heauen with my bootlesse cries,
And looke vpon my selfe and curse my fate.

Wishing me like to one more rich in hope,
Featur'd like him, like him with friends possest,
Desiring this mans art, and that mans skope,
With what I most inioy contented least,

Yet in these thoughts my selfe almost despising,
Haplye I thinke on thee, and then my state,
(Like to the Larke at breake of daye arising)
From sullen earth sings himns at Heauens gate,

For thy sweet loue remembred such welth brings,
That then I skorne to change my state with Kings.

29

Ich hab kein Geld und auch kein Ansehn mehr,
ich wein' alleine, freund- und heimatlos.
Der Himmel hört's nicht, schrei ich noch so sehr.
Seh' ich mich so, verfluche ich mein Los.

So hoffnungsvoll wie jener möcht ich sein,
möcht eines Freund', des anderen Gesicht,
so kunstvoll, so erfolgreich möcht ich sein,
Was ich besitze, das gefällt mir nicht.

Wenn meine Selbstachtung schon fast zerbricht,
denk' ich zum Glück an dich: Das macht mich froh,
und wie die Lerche, wenn der Tag anbricht,
sing ich dann Hymnen an das Himmelstor.

An deine Lieb zu denken, macht mich gleich
so reich, ich tausch's nicht für ein Königreich.

[Anm.29] - zum Anfang

30

VVHen to the Sessions of sweet silent thought,
I sommon vp remembrance of things past,
I sigh the lacke of many a thing I sought,
And with old woes new waile my deare times waste:

Then can I drowne an eye (vn-vs'd to flow)
For precious friends hid in deaths dateles night,
And weepe a fresh loues long since canceld woe,
And mone th'expence of many a vannisht sight.

Then can I greeue at greeuances fore-gon,
And heauily from woe to woe tell ore
The sad account of fore-bemoned mone,
Which I new pay as if not payd before.

But if the while I thinke on thee (deare friend)
All losses are restord, and sorrowes end.

30

Ich halt im Stillen über mich Gericht,
und ruf als Zeugin die Vergangenheit.
Was hab ich denn erreicht? Viel ist es nicht:
O weh, verschwendet hab' ich teure Zeit!

Mein Aug' ertrinkt, das Tränen nie vergossen,
für teure Freunde, die für immer kalt.
Ich leid an neuer Liebe, längst verflossen,
beklage Seufzer, die schon lang verhallt.

Mich grämt erneut der Gram aus alten Tagen,
Und schweren Muts addier ich Qual zu Qual,
die Trauersumme längst beklagter Klagen
die ich, als wär sie nie bezahlt, bezahl.

Doch wenn zu dir sich die Gedanken wenden,
ist der Verlust ersetzt, die Sorgen enden.

[Anm.30] - zum Anfang

31

Thy bosome is indeared with all hearts,
Which I by lacking haue supposed dead,
And there raignes Loue and all Loues louing parts,
And all those friends which I thought buried.

How many a holy and obsequious teare
Hath deare religious loue stolne from mine eye,
As interest of the dead, which now appeare,
But things remou'd that hidden in there lie.

Thou art the graue where buried loue doth liue,
Hung with the tropheis of my louers gon,
Who all their parts of me to thee did giue,
That due of many, now is thine alone.

Their images I lou'd, I view in thee,
And thou (all they) hast all the all of me.

31

In deiner Brust ist aller Herzen Schrein,
auch nie gestand'ner, tot erklärter Lieben.
Lieb herrscht mit allem Lieben im Verein,
mit Lieben, die ich längst schon abgeschrieben.

Wie manche Träne hab ich schon geweint,
verehrungsvoll, in Demut und verschwiegen,
als Zins für Tote, die nun, wie es scheint,
bloß gut versteckt in deinem Herzen liegen.

In dir ist jede früh're Lieb begraben,
bist der Verflossenen Trophäenschrein.
Da alle dir schon meinen Anteil gaben,
gehört, was vielen war, nun dir allein.

All ihre Schönheit sehe ich in dir,
du bist mein All, hast alles All von mir.

[Anm.31] - zum Anfang

32

IF thou suruiue my well contented daie,
When that churle death my bones with dust shall couer
And shalt by fortune once more re-suruay:
These poore rude lines of thy deceased Louer:

Compare them with the bett'ring of the time,
And though they be out-stript by euery pen,
Reserue them for my loue, not for their rime,
Exceeded by the hight of happier men.

Oh then voutsafe me but this louing thought,
Had my friends Muse growne with this growing age,
A dearer birth then this his loue had brought
To march in ranckes of better equipage:

But since he died and Poets better proue,
Theirs for their stile ile read, his for his loue.

32

Lebst du noch nach dem Tag, der mich erfreut?
Rauh deckt der Tod mit Staub mir die Gebeine,
und du liest jetzt per Zufall dies erneut,
des toten Liebsten schlecht gemachte Reime:

Die Dichtkunst wird jetzt fortgeschritten sein,
und jeder Autor besser. Bewahr die Sachen
aus Lieb zu mir, nicht wegen Reimerei'n,
die Glücklichere nun weit besser machen.

Und denk auch dabei liebevoll und nett:
"Die Muse meines Freundes hielt nicht Schritt,
was seine Liebe sonst geboren hätt',
marschierte jetzt noch bei den ersten mit.

Wenn's auch stilistisch bessre Dichter gibt,
ich les' ihn gern, denn er hat mich geliebt."

[Anm.32] - zum Anfang

33

FVll many a glorious morning haue I seene,
Flatter the mountaine tops with soueraine eie,
Kissing with golden face the meddowes greene;
Guilding pale streames with heauenly alcumy:

Anon permit the basest cloudes to ride,
With ougly rack on his celestiall face,
And from the for-lorne world his visage hide
Stealing vnseene to west with this disgrace:

Euen so my Sunne one early morne did shine,
With all triumphant splendor on my brow,
But out alack, he was but one houre mine,
The region cloude hath mask'd him from me now.

Yet him for this, my loue no whit disdaineth,
Suns of the world may staine, whe[n] heauens sun staineth.

33

An vielen schönen Morgen sah ich, wie das Licht
die Bergesspitzen schmeichelt, sanft und hold;
die grünen Wiesen küsst ein Goldgesicht,
es wandelt bleichen Bach in reines Gold.

Doch schon wird niedern Wolken dann erlaubt,
in schlimmem Zug übers Gesicht zu reiten,
und die verlass'ne Welt sieht nicht das Haupt
davon sich stehlen und gen Westen gleiten.

Auch meine Sonne schien am Morgen froh
auf meine Stirn mit ihrem hellem Glanz,
das blieb jedoch nur eine Stunde so,
bis Wolken kamen, da verschwand sie ganz.

Ich halt der Erdensonn' dabei zu gut,
dass sie nur tut, was die am Himmel tut.

[Anm.33] - zum Anfang

34

VVHy didst thou promise such a beautious day,
And make me trauaile forth without my cloake,
To let bace cloudes ore-take me in my way,
Hiding thy brau'ry in their rotten smoke.

Tis not enough that through the cloude thou breake,
To dry the raine on my storme-beaten face,
For no man well of such a salue can speake,
That heales the wound, and cures not the disgrace:

Nor can thy shame giue phisicke to my griefe,
Though thou repent, yet I haue still the losse,
Th'offenders sorrow lends but weake reliefe
To him that beares the strong offenses losse.

Ah but those teares are pearle which thy loue sheeds,
And they are ritch, and ransome all ill deeds.

34

Du hast mir einen schönen Tag versprochen,
und schickst mich ohne meinen Mantel los.
Schon kommen tiefe Wolken angekrochen,
vernebeln alle Schönheit anstandslos.

Es reicht nicht, wenn man dann durch Wolken bricht,
den Kopf mir trocknet, den der Sturm durchnässt,
da niemand lobend von der Salbe spricht,
die Wunden heilt, doch Narben übrig lässt.

Mein Kummer bleibt - trotz deiner Reue - groß,
dir tut's zwar leid, doch ich bin's, der ihn trägt.
Des Schuld'gen Reue ist ein schwacher Trost
für den, der immer noch den Schaden trägt.

Doch Tränen, die mir deine Lieb verraten,
sind Perlen, sühnen all die schlechten Taten.

[Anm.34] - zum Anfang

35

NO more bee greeu'd at that which thou hast done,
Roses haue thornes, and siluer fountaines mud,
Cloudes and eclipses staine both Moone and Sunne,
And loathsome canker liues in sweetest bud.

All men make faults, and euen I in this:
Authorizing thy trespas with compare,
My selfe corrupting saluing thy amisse,
Excusing their sins, more then their sins are:

For to thy sensuall fault I bring in sence,
Thy aduerse party is thy Aduocate,
And gainst my selfe a lawfull plea commence,
Such ciuill war is in my loue and hate,

That I an accessary needs must be,
To that sweet theefe which sourely robs from me.

35

Dein Fehltritt sei dir längst vergeben schon!
Die Rose sticht, und Schlamm liegt unterm Quell,
umwölkt und finster sind oft Sonn' und Mond,
die Raupe frisst die schönste Knospe schnell.

Wir alle machen Fehler, ich die größten,
den deinen im Vergleich noch gut zu finden,
mich selbst bestechend, nur um dich zu trösten,
dies alles nachsehn, sind die schlimmren Sünden.

So liefr' ich für dein Fehlverhalten Sinn,
der Kläger wird zu deinem Advokaten,
wenn gegen mich ich den Prozess beginn,
weil Lieb und Hass in mir in Krieg geraten.

Zum Helfershelfer werd' ich, der's erlaubt,
dass ihn ein süßer Dieb so arg beraubt.

[Anm.35] - zum Anfang

36

LEt me confesse that we two must be twaine,
Although our vndeuided loues are one:
So shall those blots that do with me remaine,
Without thy helpe, by me be borne alone.

In our two loues there is but one respect,
Though in our liues a seperable spight,
Which though it alter not loues sole effect,
Yet doth it steale sweet houres from loues delight,

I may not euer-more acknowledge thee,
Least my bewailed guilt should do thee shame,
Nor thou with publike kindnesse honour me,
Vnlesse thou take that honour from thy name:

But doe not so, I loue thee in such sort,
As thou being mine, mine is thy good report.

36

Wir müssen als ein Paar in Trennung leben,
mag unsre Liebe auch unteilbar sein.
Die Mängel, die an mir dann weiter kleben,
die trag ich ohne Hilfe, ganz allein.

In unsrer Liebe sind wir beide eins,
nur unsre Leben trennt ein bös Geschick.
Das ändert nichts am Grad des Glücklichseins,
doch stiehlt es süße Stunden Liebesglück.

Ich darf dich niemals meinen Partner nennen,
mein kläglich Ansehn würd dir Schande bringen.
Auch du darfst mich nicht offen anerkennen,
sonst würd' dein Name plötzlich schlechter klingen.

Drum tu es nicht! In Liebe bin ich dein,
du mein, und so ist deine Ehre mein.

[Anm.36] - zum Anfang

37

AS a decrepit father takes delight,
To see his actiue childe do deeds of youth,
So I, made lame by Fortunes dearest spight
Take all my comfort of thy worth and truth.

For whether beauty, birth, or wealth, or wit,
Or any of these all, or all, or more
Intitled in thy [Q: their] parts, do crowned sit,
I make my loue ingrafted to this store:

So then I am not lame, poore, nor dispis'd,
Whilst that this shadow doth such substance giue,
That I in thy abundance am suffic'd,
And by a part of all thy glory liue:

Looke what is best, that best I wish in thee,
This wish I haue, then ten times happy me.

37

Wie freut der altersschwache Vater sich,
zu sehn, wie lebhaft doch sein Kind jetzt ist.
Gelähmt von meinem Schicksal bin auch ich,
mich tröstet, dass du treu und edel bist.

Wo Adel, Schönheit, Witz und Reichtum wohnen,
allein, vereint, mit anderen zu Hauf,
wo sie gekrönt in deinen Teilen thronen,
propf' ich auch meine Liebe noch darauf.

Dann bin ich keine lahme, taube Nuss,
dein Schatten spendet mir ja nun Substanz,
genug find ich in deinem Überfluss,
ich lebe dann von deinem mächt'gen Glanz.

Was es an Bestem gibt, das wünsch ich mir
in dir, dann wär' ich zehnfach glücklich hier.

[Anm.37] - zum Anfang

38

HOw can my Muse want subiect to inuent
While thou dost breath that poor'st into my verse,
Thine owne sweet argument, to excellent,
For euery vulgar paper to rehearse:

Oh giue thy selfe the thankes if ought in me,
Worthy perusal stand against thy sight,
For who's so dumbe that cannot write to thee,
When thou thy selfe dost giue inuention light?

Be thou the tenth Muse, ten times more in worth
Then those old nine which rimers inuocate,
And he that calls on thee, let him bring forth
Eternal numbers to out-liue long date.

If my slight Muse doe please these curious daies,
The paine be mine, but thine shal be the praise.

38

Um Stoff ist meine Muse nie verlegen,
wenn's dich in meinem Verse lebend gibt,
als Inhalt eingegossen, so erlesen,
dass man ihn nicht in Prosa wiedergibt.

Du kannst den Dank nur an dich selber richten,
wär' hier etwas, das deinem Aug gefällt.
Es ist nicht schwierig, dir etwas zu dichten,
du bist's, der die Erleuchtung selbst erhellt.

Sei zehnte Muse, zehn mal mehr vollkommen,
als jene neun, an die sich Dichter wenden,
lass den, der dich anruft, dann niederkommen
mit Zeilen, die am letzten Tag nicht enden.

Falls die verwöhnte Zeit dies Werklein mag,
war's meine Müh, das Lob sei dein Ertrag!

[Anm.38] - zum Anfang

39

OH how thy worth with manners may I singe,
When thou art all the better part of me?
What can mine owne praise to mine owne selfe bring;
And what is't but mine owne when I praise thee,

Euen for this, let vs deuided liue,
And our deare loue loose name of single one,
That by this seperation I may giue:
That due to thee which thou deseru'st alone:

Oh absence what a torment wouldst thou proue,
Were it not thy soure leisure gaue sweet leaue,
To entertaine the time with thoughts of loue,
VVhich time and thoughts so sweetly dost deceiue.

And that thou teachest how to make one twaine,
By praising him here who doth hence remaine.

39

Wie kann ich nur dein Lob mit Anstand singen,
wenn du das beste von mir selber bist?
Was kann ein Lob ans eigne Selbst mir bringen?
Wenn ich dich lobe, bin ich Egoist.

Grad deshalb sollten wir getrennt nun leben,
und nicht mehr sagen, dass uns Liebe eine.
Durch diese Trennung könnte ich dir geben,
was dein Verdienst ist, deines ganz alleine.

Die Trennung würde sich als Qual erweisen,
gäb' nicht die bittre Zeit mir das Vergnügen,
dass die Gedanken dann um dich nur kreisen.
So würd'st du Zeit und Denken süß betrügen.

Du zeigtest, wie ein einzelner noch Paar ist:
Man lobt den andern, wenn er grad nicht da ist.

[Anm.39] - zum Anfang

40

TAke all my loues, my loue, yea take them all,
What hast thou then more then thou hadst before?
No loue, my loue, that thou maist true loue call,
All mine was thine, before thou hadst this more:

Then if for my loue, thou my loue receiuest,
I cannot blame thee, for my loue thou vsest,
But yet be blam'd, if thou this selfe deceauest
By wilfull taste of what thy selfe refusest.

I doe forgiue thy robb'rie gentle theefe
Although thou steale thee all my pouerty:
And yet loue knowes it is a greater griefe
To beare loues wrong, then hates knowne iniury.

Lasciuious grace, in whom all il wel showes,
Kill me with spights yet we must not be foes.

40

Nimm alle meine Lieben, meine Liebe!
Was hast du mehr, das du nicht längst bekamst?
Nicht Liebe, Liebster, nicht die wahre Liebe,
was mein, war dein, bevor du die noch nahmst.

Da du für meine Liebe meine kriegst,
und so doch meiner frönst, kann ich nichts sagen.
Doch tadl' ich dich, dass du dich selbst betrügst,
was du genießt, des willst du ja entsagen.

Dein Raub sei dir vergeben, süßer Dieb,
stahlst du mir auch mein einzig Hab und Gut.
Doch trägt man größern Kummer noch, weiß Lieb,
wenn Liebe und nicht Hass ein Unrecht tut.

Betörer, an dem schön das Schlechte scheint,
kränk mich zu Tod, ich werd doch nie dein Feind!

[Anm.40] - zum Anfang

41

THose pretty wrongs that liberty commits,
When I am some-time absent from thy heart,
Thy beautie, and thy yeares full well befits,
For still temptation followes where thou art.

Gentle thou art, and therefore to be wonne,
Beautious thou art, therefore to be assailed.
And when a woman woes, what womans sonne,
Will sourely leaue her till she [Q: he] haue preuailed.

Aye me, but yet thou mightst my seate forbeare,
And chide thy beauty, and thy straying youth,
Who lead thee in their ryot euen there
Where thou art forst to breake a two-fold truth:

Hers by thy beauty tempting her to thee,
Thine by thy beautie beeing false to me.

41

Die Freiheiten, die du dir nimmst, zumal
wenn mich dein Herz für kurze Zeit vergisst,
die sind, solang du schön und jung, normal,
denn die Versuchung folgt dir, wo du bist.

Entzückend bist du, ein begehrter Lohn,
und schön dazu, und deshalb zu besteigen.
Wenn Frauen frein, welch feiner Frauensohn
wird sich dann schon als Kostverächter zeigen?

Nur Meine hätt'st du besser nicht berührt!
Verfluch dein Schönsein und der Jugend Lust,
die dich grad hier zum Schlemmen noch verführt,
wo du gleich doppelt Treue brechen musst:

die ihre, denn dein Schönsein zog sie an;
die deine, denn dein Schönsein log mich an.

[Anm.41] - zum Anfang

42

THat thou hast her it is not all my griefe,
And yet it may be said I lou'd her deerely,
That she hath thee is of my wayling cheefe,
A losse in loue that touches me more neerely.

Louing offendors thus I will excuse yee,
Thou doost loue her, because thou knowst I loue her,
And for my sake euen so doth she abuse me,
Suffring my friend for my sake to approoue her,

If I loose thee, my losse is my loues gaine,
And loosing her, my friend hath found that losse,
Both finde each other, and I loose both twaine,
And both for my sake lay on me this crosse,

But here's the ioy, my friend and I are one,
Sweete flattery, then she loues but me alone.

42

Dass du sie hast, das schmerzt mich weiter nicht,
und doch, man weiß es, liebte ich sie sehr.
Dass sie jetzt dich hat, das fällt ins Gewicht,
denn dich verlieren trifft mich wirklich schwer.

Nur so erkenn im Liebesbruch ich Sinn:
Du liebst sie, weil du weißt, dass ich sie liebe,
und aus dem gleichen Grund gibt sie sich hin,
gibt meinem Freund um meinetwillen Liebe.

Verlier ich dich, dann wirst du ihr zur Freude,
verlier ich sie, kriegst du was mir abhanden.
Ihr habt einander, ich verliere beide,
die mich so übers Kreuz im andern fanden.

Dies ist mein Trost: Da eins sind du und ich,
o süßer Trug, so liebt sie doch nur mich.

[Anm.42] - zum Anfang

43

WHen most I winke then doe mine eyes best see,
For all the day they view things vnrespected,
But when I sleepe, in dreames they looke on thee,
And darkely bright, are bright in darke directed.

Then thou whose shaddow shaddowes doth make bright,
How would thy shadowes forme, forme happy show,
To the cleere day with thy much cleerer light,
When to vn-seeing eyes thy shade shines so?

How would (I say) mine eyes be blessed made,
By looking on thee in the liuing day?
When in dead night their faire imperfect shade,
Through heauy sleepe on sightlesse eyes doth stay?

All dayes are nights to see till I see thee,
And nights bright daies when dreams do shew thee me.

43

Halt ich die Augen offen, seh ich kaum,
und vieles bleibt am Tage ungesichtet,
doch wenn ich schlafe, sehn sie dich im Traum,
und sind im Dunkeln hell auf dich gerichtet.

Dein Schatten macht die andern Schatten heller:
Wie wäre seine Form erst formvollendet
am hellen Tage, wo dein Licht noch greller,
wenn er geschlossne Augen schon so blendet?

Welch Segen würde ihnen da gebracht,
wenn sie dich selbst erst sehn im Tageslicht?
Da schon dein bloßer Schatten in der Nacht
durch tiefen Schlaf ins blinde Auge sticht?

Der Tag ist Nacht, seh ich dich nicht vor mir,
doch taghell wird die Nacht, träum ich von dir.

[Anm.43] - zum Anfang

44

IF the dull substance of my flesh were thought,
Iniurious distance should not stop my way,
For then dispight of space I would be brought,
From limits farre remote, where thou doost stay,

No matter then although my foote did stand
Vpon the farthest earth remoou'd from thee,
For nimble thought can iumpe both sea and land,
As soone as thinke the place where he would be.

But ah, thought kills me that I am not thought
To leape large lengths of miles when thou art gone,
But that so much of earth and water wrought,
I must attend times leasure with my mone.

Receiuing naughts by elements so sloe,
But heauie teares, badges of eithers woe.

44

Wär schweres Fleisch doch ein Gedanke nur,
dann wär kein Hindernis die schlimmste Strecke.
Dem Raum zum Trotz flög ich zu dir im Nu,
und käm ich aus der hinterletzten Ecke.

Egal dann, wo ich mich auch grad befand,
am weitest von dir weg gelegnen Ort,
Gedanke schwingt sich über See und Land,
brauch's nur zu denken, und schon ist er dort.

Nur der Gedanke, dass ich nicht gedacht
für meilenweite Sprünge, bringt mich um.
Aus Erd und Wasser bin ich nur gemacht,
muss seufzend warten bis die Zeit herum.

Mit Erd und Wasser lässt sich nichts erreichen,
Nur schwere Tränen, beider Trauerzeichen.

[Anm.44] - zum Anfang

45

THe other two, slight ayre, and purging fire,
Are both with thee, where euer I abide,
The first my thought, the other my desire,
These present absent with swift motion slide.

For when these quicker Elements are gone
In tender Embassie of loue to thee,
My life being made of foure, with two alone,
Sinkes downe to death, opprest with melancholie.

Vntill liues composition be recured,
By those swift messengers return'd from thee,
Who euen but now come back againe assured,
Of thy [their] faire health, recounting it to me.

This told, I ioy, but then no longer glad,
I send them back againe and straight grow sad.

45

Die leichte Luft, das reinigende Feuer,
sind stets bei dir, wo immer ich auch bin,
als mein Gedanke Luft, als Liebe Feuer,
sie flitzen hin und her und her und hin.

Doch sind die zwei lebendigeren Pferde
als zarte Botschaft meiner Liebe weg,
besteh ich nur aus Wasser noch und Erde,
bin schwer betrübt und sterb fast auf dem Fleck,

bis die Zusammensetzung wieder stimmt,
und meine schnellen Boten hier bei mir.
Grad kommen sie und melden mir bestimmt,
du seist gesund, erzählen mir von dir.

Ich hör's und freu mich, sorg mich aber wieder,
send sie zurück, und sinke traurig nieder.

[Anm.45] - zum Anfang

46

MIne eye and heart are at a mortall warre,
How to deuide the conquest of thy sight,
Mine eye, my heart their pictures sight would barre,
My heart, mine eye the freedome of that right,

My heart doth plead that thou in him doost lye,
(A closet neuer pearst with christall eyes)
But the defendant doth that plea deny,
And sayes in him thy [Q: their] faire appearance lyes.

To side this title is impannelled
A quest of thoughts, all tennants to the heart,
And by their verdict is determined
The cleere eyes moyitie, and the deare hearts part.

As thus, mine eyes due is thy [Q: their] outward part,
And my hearts right, thy [Q: their] inward loue of heart.

46

Mein Herz kreuzt mit dem Aug die scharfe Klinge:
Wer hat an deinem Anblick Beuterecht?
Das Aug will, dass dem Herz kein Blick gelinge,
das Herz verwehrt dem Auge jedes Recht.

Ins Herz, bringt dieses vor, wärst du zu legen,
geschützt vor scharfen Augen und intim;
Doch der Verteidiger plädiert dagegen
und sagt, dein schönes Aussehn läg' in ihm.

Der Fall muss vor Gericht, Geschwor'ne sind
Gedanken, die vom Herzen schon bestochen.
Unwiderruflich wird durch sie bestimmt,
und jedem wird sein Teil nun zugesprochen.

Ihr Spruch: dem Auge kommt dein Äußres zu
dem Herzen rechtens dann dein Innres, Du.

[Anm.46] -zum Anfang

47

BEtwixt mine eye and heart a league is tooke,
And each doth good turnes now vnto the other,
When that mine eye is famisht for a looke,
Or heart in loue with sighes himselfe doth smother;

With my loues picture then my eye doth feast,
And to the painted banquet bids my heart:
An other time mine eye is my hearts guest,
And in his thoughts of loue doth share a part.

So either by thy picture or my loue,
Thy seife away, art [Q: are] present still with me,
For thou nor farther then my thoughts canst moue,
And I am still with them, and they with thee.

Or if they sleepe, thy picture in my sight
Awakes my heart, to hearts and eyes delight.

47

Mein Herz schloss mit dem Auge diesen Pakt:
ein jedes hilft dem andern aus der Not,
zum Beispiel falls das Auge Hunger packt,
das Herz an Seufzern zu ersticken droht.

Will sich mein Aug von deinem Bild ernähren,
dann bittet es zum Mahl mein Herz zu sich.
Dafür darf's auch als Herzens Gast verkehren,
Und teilt mit ihm Gedanken über dich.

Sei's bloß dein Bild, sei's Liebe tief hier drinnen,
bist du nicht da, so bist du doch bei mir,
denn den Gedanken kannst du nicht entrinnen,
ich bin bei ihnen, und sie sind bei mir.

Und schlafen sie, seh ich dein Bild erneut,
es weckt mein Herz, was Herz und Auge freut.

[Anm.47] -zum Anfang

48

HOw carefull was I when I tooke my way,
Each trifle vnder truest barres to thrust,
That to my vse it might vn-vsed stay
From hands of falsehood, in sure wards of trust?

But thou, to whom my iewels trifles are,
Most worthy comfort, now my greatest griefe,
Thou best of deerest, and mine onely care,
Art left the prey of euery vulgar theefe.

Thee haue I not lockt vp in any chest,
Saue where thou art not, though I feele thou art,
Within the gentle closure of my brest,
From whence at pleasure thou maist come and part,

And euen thence thou wilt be stolne I feare,
For truth prooues theeuish for a prize so deare.

48

Aus Sicherheit hab ich, bevor ich ging,
noch hinter Schloss und Riegel das gebracht,
was nicht berührt sein sollte, jedes Ding
vor falschen Händen sicher, gut bewacht.

Nur dir, mehr wert als alle die Juwelen,
mein wahrer Trost, dir gelten meine Sorgen:
Du größter Schatz, dich darf mir niemand stehlen,
und doch bleibst du den Dieben nicht verborgen.

Ich hab dich nicht in einem Safe verwahrt,
bist du nicht da, bist du bei mir zu Haus,
im sanften Kasten meiner Brust bewahrt,
da kannst du nach Belieben ein und aus.

Jetzt fürcht ich, dass du da nicht sicher bist,
um solchen Preis wird Dieb, wer ehrlich ist.

[Anm.48] -zum Anfang

49

AGainst that time (if euer that time come)
When I shall see thee frowne on my defects,
When as thy loue hath cast his vtmost summe,
Cauld to that audite by aduis'd respects,

Against that time when thou shalt strangely passe,
And scarcely greete me with that sunne thine eye,
When loue conuerted from the thing it was
Shall reasons finde of setled grauitie.

Against that time do I insconce me here
Within the knowledge of mine own desart,
And this my hand, against my selfe vpreare,
To guard the lawfull reasons on thy part,

To leaue poore me, thou hast the strength of lawes,
Since why to loue, I can alledge no cause.

49

Der Zeit gedenkend (falls wir sie erleben),
wenn meine Schwächen dir schon ganz zuwider,
wenn deine Liebe alles ausgegeben,
es Zeit wird, eine Schlussbilanz zu ziehen,

der Zeit gedenkend, wenn du fremd sogar
mich nicht mehr grüßt mit sonnigem Gesicht,
wenn Liebe nicht mehr das ist, was sie war,
und manch ein Grund für Reserviertheit spricht,

der Zeit gedenkend, will ich Schutz mir geben,
im Wissen auch um meinen eignen Wert,
und meine Hand - jetzt gegen mich erheben,
damit auch dir kein Unrecht widerfährt:

Mich zu verlassen ist dein gutes Recht,
warum ich liebe, weiß ich selbst nicht recht.

[Anm.49] -zum Anfang

50

HOw heauie doe I iourney on the way,
When what I seeke (my wearie trauels end)
Doth teach that ease and that repose to say
Thus farre the miles are measurde from thy friend.

The beast that beares me, tired with my woe,
Plods duly on, to beare that waight in me,
As if by some instinct the wretch did know
His rider lou'd not speed being made from thee:

The bloody spurre cannot prouoke him on,
That some-times anger thrusts into his hide,
Which heauily he answers with a grone,
More sharpe to me then spurring to his side,

For that same grone doth put this in my mind,
My greefe lies onward and my ioy behind.

50

Wie wird mir meine Reise doch erschwert,
erkläre ich das Ziel der Reise mir,
das mich nur leichthin, ruhig sagen lehrt:
So viele Meilen trennen mich von dir.

Das Tier, das mich trägt, trägt auch all mein Leid,
in lahmem Trott erträgt's die Last in mir,
als wüsst der Gaul schon instinktiv Bescheid:
Sein Reiter will nicht so schnell weg von dir.

Der blut'ge Sporn treibt ihn nicht schneller an;
jag ich ihn manchmal in die Haut im Zorn,
so kommt als Antwort schweres Stöhnen dann,
das schmerzt mich mehr als ihn der harte Sporn,

denn durch sein Stöhnen wird mir dies bewusst:
Vor mir liegt Leid, und hinter mir die Lust.

[Anm.50] -zum Anfang

51

THus can my loue excuse the slow offence,
Of my dull bearer, when from thee I speed,
From where thou art, why shoulld I hast me thence,
Till I returne of posting is noe need.

O what excuse will my poore beast then find,
When swift extremity can seeme but slow,
Then should I spurre though mounted on the wind,
In winged speed no motion shall I know,

Then can no horse with my desire keepe pace,
Therefore desire (of perfects loue being made)
Shall naigh, noe dull flesh in his fiery race,
But loue, for loue, thus shall excuse my iade,

Since from thee going, he went wilfull slow,
Towards thee ile run, and giue him leaue to goe.

51

Sein Schneckentempo ist dem Gaul verziehen:
Ich will mich ja so schnell nicht von dir trennen,
will nicht schon im Galopp von dir entfliehen,
erst auf der Rückkehr gibt es Grund zum Rennen.

Ob dann der Gaul noch eine Ausred find't,
wenn äußerster Galopp mir langsam scheint,
ich gäb' die Sporen, säß' ich auf dem Wind,
selbst Fliegen würd' der reinste Stillstand sein.

Kein Pferd hält mehr mit dem Verlangen Schritt,
es ist nicht fleischlich, ist aus Lieb allein.
Verlangen wiehert drum im Feuerritt,
und Liebe tritt für meinen Gaul auch ein:

Weil er von dir weg mit Bedacht so schlich,
sei er nun frei, und dafür renne ich.

[Anm.51] -zum Anfang

52

SO am I as the rich whose blessed key,
Can bring him to his sweet vp-locked treasure,
The which he will not eu'ry hower suruay,
For blunting the fine point of seldome pleasure.

Therefore are feasts so sollemne and so rare,
Since sildom comming in the long yeare set,
Like stones of worth they thinly placed are,
Or captaine Iewells in the carconet.

So is the time that keepes you as my chest,
Or as the ward-robe which the robe doth hide,
To make some speciall instant speciall blest,
By new vnfoulding his imprison'd pride.

Blessed are you whose worthinesse giues skope,
Being had to tryumph, being lackt to hope.

52

Der Reiche schätzt - wie ich - den Schlüssel sehr,
der Zutritt zum verschlossnen Schatz erlaubt,
doch will er den nicht jede Stunde sehn,
sonst wär' er des Vergnügens ganz beraubt.

Auch Feste sind nur feierlich, speziell,
weil sie so selten sind, ins Jahr gesetzt
wie Edelsteine, dünn gesät; doch hell
wird köstliches Geschmeide so durchsetzt.

So hält im Kasten Euch für mich die Zeit,
wie in der Garderobe aufbewahrt,
für die besondere Gelegenheit,
bei der gefangner Glanz sich offenbart.

Eu'r Wert, ein Segen, lässt noch Spielraum offen:
wer ihn erhielt, ist stolz, die andern hoffen.

vgl. Anm. zu thou/you -Anm.52- zum Anfang

53

VVHat is your substance, whereof are you made,
That millions of strange shaddowes on you tend?
Since euery one, hath euery one, one shade,
And you but one, can euery shaddow lend:

Describe Adonis and the counterfet,
Is poorely immitated after you,
On Hellens cheeke all art of beautie set,
And you in Grecian tires are painted new:

Speake of the spring, and foyzon of the yeare,
The one doth shaddow of your beautie show,
The other as your bountie doth appeare,
And you in euery blessed shape we know.

In all externall grace you haue some part,
But you like none, none you for constant heart.

53

Wer seid Ihr bloß, was macht Euch so wie keinen,
lässt Euch Millionen fremde Schatten sein?
Da jeder einzeln, hat er doch nur einen,
doch Ihr, allein, Ihr könnt Euch jedem leih'n:

Die Beschreibung des Adonis wird sogleich
als blasse Nachahmung von Euch erkannt.
Malt man Helenens Wange künstlich reich,
seid's wieder Ihr, in griechischem Gewand.

Spricht man vom Frühling und vom Herbst im Jahr,
zeigt Frühling Eurer Schönheit Schatten nur,
der Herbst erscheint mit Eurem Füllhorn gar,
Ihr seid in jedem Segen der Natur,

in jeder äußern Anmut seid Ihr reichlich,
doch macht Eu'r treues Herz Euch unvergleichlich.

Variante (Du-Form)

 

vgl. Anm. zu thou/you -Anm. 53 - zum Anfang

54

OH how much more doth beautie beautious seeme,
By that sweet ornament which truth doth giue,
The Rose lookes faire, but fairer we it deeme
For that sweet odor, which doth in it liue:

The Canker bloomes haue full as deepe a die,
As the perfumed tincture of the Roses,
Hang on such thornes, and play as wantonly,
When sommers breath their masked buds discloses:

But for their virtue only is their show,
They liue vnwoo'd, and vnrespected fade,
Die to themselues. Sweet Roses doe not so,
Of their sweet deathes, are sweetest odors made:

And so of you, beautious and louely youth,
When that shall vade, by verse distils your truth.

54

O wie viel schöner scheint die Schönheit doch
durch die Süße, die ihr Echtheit gibt!
So schön die Rose ist, viel schöner noch
wird sie durch süßen Duft, der sie umgibt.

Der Hunderosen Farbe ist so voll
wie die der parfumierten roten Rosen.
Sie haben Dornen, und ihr Spiel ist toll,
wenn Sommerwinde ihre Knospen kosen.

Doch da die Hundsros nur zum Auge spricht,
so pflückt sie keiner, und sie welkt verkannt
und stirbt allein. Die echten Rosen nicht:
aus ihrem Tod wird süßer Duft gebrannt.

Grad wie aus Euch, Ihr schöne, holde Jugend:
Vergeht Ihr, brennen Verse aus Euch Tugend.

vgl. Anm. zu thou/you - Anm. 54 - zum Anfang

55

NOt marble, nor the guilded monument,
Of Princes shall out-liue this powrefull rime,
But you shall shine more bright in these contents
Then vnswept stone, besmeer'd with sluttish time.

When wastefull warre shall Statues ouer-turne,
And broiles roote out the worke of masonry,
Nor Mars his sword, nor warres quick fire shall burne:
The liuing record of your memory.

Gainst death, and all obliuious emnity
Shall you pace forth, your praise shall stil finde roome,
Euen in the eyes of all posterity
That weare this world out to the ending doome.

So til the iudgement that your selfe arise,
You liue in this, and dwell in louers eies.

55

Das Bild aus Marmor und aus Gold zerbricht:
Viel länger als ein Denkmal lebt mein Reim.
Er lässt Euch hell erstrahlen im Gedicht,
die Zeit beschmiert Euch nicht mit Schmutz und Schleim.

Im Krieg bleibt keine Statue unversehrt,
und Streit zerstört so manches schöne Haus,
doch keine Fackel und kein schnelles Schwert
löscht dieses Zeugnis Eures Lebens aus.

Dem Tod und dem Vergessen könnt Ihr kühn
entgegen treten, Euer Ruhm auf Erden
wird selbst noch in den Augen jener glühn,
die diese Welt zu Ende leben werden.

Bis Ihr einst auferstehn müsst zum Gericht,
lebt Ihr hier drin, in Eurer [Eures] Liebsten Sicht.

vgl. Anm. zu thou/you - Anm. 55 - zum Anfang

56

Sweet loue renew thy force, be it not said
Thy edge should blunter be then apetite,
Which but too daie by feeding is alaied,
To morrow sharpned in his former might.

So loue be thou, although too daie thou fill
Thy hungrie eies, euen till they winck with fulnesse,
Too morrow see againe, and doe not kill
The spirit of Loue, with a perpetual dulnesse:

Let this sad Intrim like the Ocean be
Which parts the shore, where two contracted new,
Come daily to the banckes, that when they see:
Returne of loue, more blest may be the view.

As cal it Winter, which being ful of care,
Makes So[m]mers welcome, thrice more wish'd, more rare:

56

Verstärk' dich, Liebe! Sonst heißt's, deine Klingen
sei'n stumpfer schon als die des Appetits,
den heute zwar zu stillen mag gelingen,
doch kommt er morgen wieder, scharf und spitz.

So soll's bei dir sein, Liebe, stille heut
der Augen Gier, bis sie vor Völle schlapp,
doch öffne sie am Morgen dann erneut.
Töt' nicht den Geist der Liebe, stumpf nicht ab!

Dies Zwischenspiel sei wie der Ozean,
der Länder trennt, wo zwei Verliebte wohnen:
Sie stehn am Strande täglich, lassen dann
der Liebe Rückkehr ihren Blick belohnen.
.
Kannst's Winter nennen, dessen Leid und Nacht
den Sommer dreimal mehr willkommen macht.

Anm. 56 - zum Anfang

57

BEing your slaue what should I doe but tend,
Vpon the houres, and times of your desire?
I haue no precious time at al to spend;
Nor seruices to doe til you require.

Nor dare I chide the world without end houre,
Whilst I (my soueraine) watch the clock for you,
Nor thinke the bitternesse of absence sowre,
VVhen you haue bid your seruant once adieue.

Nor dare I question with my iealious thought,
VVhere you may be, or your affaires suppose,
But like a sad slaue stay and thinke of nought
Saue where you are, how happy you make those.

So true a foole is loue, that in your Will,
(Though you doe any thing) he thinkes no ill.

57

Als Sklave muss ich nur verfügbar sein
zu jenen Stunden, die Euch opportun.
Sonst ist ja meine Zeit nicht kostbar, nein,
braucht Ihr mich nicht, dann hab ich nichts zu tun.

Ich fluch nicht während dieser Ewigkeit,
in der mein Aug nur an der Uhr noch klebt,
ich denk nicht an die bittre Einsamkeit,
wenn Ihr dem Sklaven einst den Laufpass gebt.

Auch frag ich mich nicht eifersüchtig dann,
was Ihr wohl treibt, mein Herr, und wo Ihr seid,
ganz traurig denkt der Sklave nur daran:
Wo Ihr jetzt seid, da bringt Ihr Fröhlichkeit.

Ein Narr die Lieb', was Ihr im Übermut
auch immer tut, sie hält es noch für gut.

Anm. 57 - zum Anfang

58

THat God forbid, that made me first your slaue,
I should in thought controule your times of pleasure,
Or at your hand th' account of houres to craue,
Being your vassail bound to staie your leisure.

Oh let me suffer (being at your beck)
Th' imprison'd absence of your libertie,
And patience, tame to sufferance, bide each check,
Without accusing you of iniury.

Be where you list, your charter is so strong,
That you your selfe may priuiledge your time
To what you will, to you it doth belong,
Your selfe to pardon of selfe-doing crime.

I am to waite, though waiting so be hell,
Not blame your pleasure be it ill or well.

58

Verhüt's der Gott, der mich an Euch verknechtet,
dass ich Euch Euren Ausgang kontrollier,
und möcht', dass Ihr mir jede Stund abrechnet.
Ich bin Vasall, stets da zu Eur'm Pläsier.

Lasst mich auf Euren Ruf nur warten, stumm
in Ketten, bis Ihr kommt, dann bin ich frei.
Geduld, schon zahm, nimmt keine Rüge krumm,
klagt nicht auf Unrecht oder Tyrannei.

Bleibt weg, so lang Ihr wollt, Ihr seid am Steuer,
und könnt drum über Eure Zeit verfügen,
tut mit ihr, was Ihr wollt, sie ist ja Euer,
müsst Euch verzeihn, braucht niemanden belügen.

Ich hab zu warten, leide Höllenplagen,
doch Ihr vergnügt Euch, ich hab nichts zu sagen.

Anm. 58 - zum Anfang

59

IF their bee nothing new, but that which is,
Hath beene before, how are our braines beguild,
Which laboring for inuention beare amisse
The second burthen of a former child ?

Oh that record could with a back-ward looke,
Euen of fiue hundreth courses of the Sunne,
Show me your image in some antique booke,
Since minde at first in carrecter was done.

That I might see what the old world could say,
To this composed wonder of your frame,
Whether we are mended, or where better they,
Or whether reuolution be the same.

Oh sure I am the wits of former daies,
To subiects worse haue giuen admiring praise.

59

Wenn's gar nichts Neues gäb, und all dies jetzt
hätt's schon gegeben: Wie verwirrt dann wären
die Köpfe, die, erfindungsschwanger, stets
dasselbe Kind noch einmal tot gebären!

O könnte ich mit einem Blick nach hinten
fünfhundert Sonnenjahr' zurück mich schalten
und Euer Bild in einem Buche finden,
wo erstmals Geist in Lettern festgehalten!

Dann gäbe mir die alte Welt Bericht,
wie sie zu Eurem schönen Körper steht,
ob wir uns nun verbessert oder nicht,
und ob sich alles noch ums Gleiche dreht.

Ach sicher bin ich, was die alten Dichter
in höchsten Tönen priesen, war viel schlichter!

Anm. 59 - zum Anfang

60

LIke as the waues make towards the pibled shore,
So do our minuites hasten to their end,
Each changing place with that which goes before,
In sequent toile all forwards do contend.

Natiuity once in the maine of light.
Crawles to maturity, wherewith being crown'd,
Crooked eclipses gainst his glory fight,
And time that gaue, doth now his gift confound.

Time doth transfixe the florish set on youth,
And delues the paralels in beauties brow,
Feedes on the rarities of natures truth,
And nothing stands but for his sieth to mow.

And yet to times in hope, my verse shall stand
Praising thy worth, dispight his cruell hand.

60

Die Wellen brechen übern Strand herein:
So schnell vergehn auch unsere Minuten,
die eine nimmt den Platz der andern ein,
wenn sie in steter Folge vorwärts fluten.

Geburt, erst grad im vollen Tageslicht,
kriecht hin zur Reife, wird damit gekrönt.
Doch Finsternis gönnt diesen Glanz uns nicht,
was Zeit uns gab, wird jetzt durch Zeit zerstört,

Kein Jugendflor, den nicht die Zeit entfernte,
indem sie in die Stirne Furchen gräbt,
die Schönheit der Natur ist ihre Ernte,
Nichts hat Bestand, wo ihre Sense mäht.

Vielleicht jedoch hält mein Gedicht ihr Stand,
preist deinen Wert - trotz ihrer grimmen Hand.

Anm. 60 - zum Anfang

61

IS it thy wil, thy Image should keepe open
My heauy eielids to the weary night?
Dost thou desire my slumbers should be broken,
While shadowes like to thee do mocke my sight?

Is it thy spirit that thou send'st from thee
So farre from home into my deeds to prye,
To find out shames and idle houres in me,
The skope and tenure of thy Ielousie?

O no, thy loue though much, is not so great,
It is my loue that keepes mine eie awake,
Mine owne true loue that doth my rest defeat,
To plaie the watch-man euer for thy sake.

For thee watch I, whilst thou dost wake elsewhere,
From me farre of, with others all to neere.

61

Ist's deine Absicht, dass dein Bild zur Nacht
mir noch die müden Lider offen hält?
Willst du, dass ich um meinen Schlaf gebracht,
wenn sich dein Trugbild vor mein Auge stellt?

Ist es dein Geist, hast du ihn mir gesendet,
mir in der Ferne nachzuspionieren,
dass er dir, was ich tu und lasse, meldet,
um deine Eifersucht zu kultivieren?

Nein, so verliebt hätt' ich dich nie geglaubt!
Wer meine Augen wach hält, das bin ich,
's ist meine Lieb, die mir die Ruhe raubt,
sie spielt des Nachts den Wachmann nur für dich.

Ich wache gut, denn bin ich mal nicht da,
und du noch wach, sind andre dir zu nah.

Anm. 61 - zum Anfang

62

SInne of selfe-loue possesseth al mine eie,
And all my soule, and al my euery part;
And for this sinne there is no remedie,
It is so grounded inward in my heart.

Me thinkes no face so gratious is as mine,
No shape so true, no truth of such account,
And for my selfe mine owne worth do define,
As I all other in all worths surmount.

But when my glasse shewes me my selfe indeed
Beated and chopt with tand antiquitie,
Mine owne selfe loue quite contrary I read
Selfe, so selfe louing were iniquity,

T'is thee (my selfe) that for my selfe I praise,
Painting my age with beauty of thy daies.

62

Sündig ist es, ich bin in mich verliebt,
mit Herz und Aug und allem, was ich bin,
nur dass es dafür keine Heilung gibt,
so fest steckt dies in meiner Seele drin.

So schön wie meins, find ich, ist kein Gesicht,
mein Körper ist von idealer Form:
Vergleiche helfen zur Bestimmung nicht,
mein eigner Wert ist über aller Norm.

Doch muss ich mein Gesicht im Spiegel sehn,
gefurcht, gegerbt, die Haut vom Alter* schlecht,
dann muss ich Eigenliebe neu verstehn:
Sich selbst als selbst zu lieben, wär' nicht recht:

Du bist das Selbst, das als mein Selbst ich liebe,
die Maske, die ich vor mein Alter schiebe.

* vielleicht auch vom Rauchen?

Anm. 62 - zum Anfang

63

AGainst my loue shall be as I am now
With times iniurious hand chrusht and ore-worne,
When houres haue dreind his blood and fild his brow
With lines and wrincles, when his youthfull morne

Hath trauaild on to Ages steepie night,
And all those beauties whereof now he's King
Are vanishing, or vanisht out of sight,
Stealing away the treasure of his Spring.

For such a time do I now fortifie
Against confounding Ages cruell knife,
That he shall neuer cut from memory
My sweet loues beauty, though my louers life.

His beautie shall in these blacke lines be seene,
And they shall liue, and he in them still greene.

63

Dem Liebsten wird's mal ganz so gehn wie mir,
zerdrückt und ausgelaugt von Zeit und Sorgen:
Die Stunden furchen dann mit blutger Gier
die Stirn mit Runzeln voll, sein junger Morgen

reist in die Nacht, des Alters Niederungen.
Die Schönheit, über die er noch befohlen,
verklingt dann oder ist schon längst verklungen,
der ganze Schatz des Frühlings wird gestohlen.

Ich will mich wappnen gegen diese Zeit:
Wird Alter dann sein grausam Messer heben,
dass es mir nicht aus dem Gedächtnis schneid'
des Liebsten Schönheit, nimmt's ihm auch sein Leben.

Die Schönheit bleibt in schwarz gedruckten Zeilen,
und er wird - immergrün - darin verweilen.

saloppere Variante für das zweite Quartett:

reist in die Nacht, des Alters Niederungen,
und all die Schönheit, die er jetzt besitzt,
verklingt dann oder ist schon längst verklungen,
der ganze Schatz des Frühlings wird stiebitzt.

Anm. 63 - zum Anfang

64

VVHen I haue seene by times fell hand defaced
The rich proud cost of outworne buried age,
When sometime loftie towers I see downe rased,
And brasse eternall slaue to mortall rage.

When I haue seene the hungry Ocean gaine
Aduantage on the Kingdome of the shoare,
And the firme soile win of the watry maine,
Increasing store with losse, and losse with store.

When I haue seene such interchange of state,
Or state it selfe confounded, to decay,
Ruine hath taught me thus to ruminate
That Time will come and take my loue away.

This thought is as a death, which cannot choose
But weepe to haue, that which it feares to loose.

64

Seh ich von grimmer Hand der Zeit entstellt
einst stolze Pracht, verschlissen, alt und tot;
seh ich den hohen Turm vom Krieg gefällt,
und ew'ges Erz von Todeswut bedroht;

seh ich, wie hungrig sich das Meer benimmt,
wenn es vom Reich der Küste Land gewinnt,
und wie das Festland Land vom Meer sich nimmt,
dass bald Gewinn verliert, Verlust gewinnt;

seh ich, wie häufig sich ein Zustand ändert,
wie er sogar zerstört wird und verdirbt;
dann denk ich, da sich alles so verändert,
bald kommt die Zeit, dass mir der Liebste stirbt.

Man weint, denn so zu denken ist fatal,
dies alles, was man hat, verliert man mal.

Anm. 64 - zum Anfang

65

Since brasse, nor stone, nor earth, nor boundlesse sea,
But sad mortallity ore-swaies their power,
How with this rage shall beautie hold a plea,
Whose action is no stronger then a flower?

O how shall summers hunny breath hold out,
Against the wrackfull siedge of battring dayes,
When rocks impregnable are not so stoute,
Nor gates of steele so strong but time decayes?

O fearefull meditation, where alack,
Shall times best Iewell from times chest lie hid?
Or what strong hand can hold his swift foote back,
Or who his spoile of beautie can forbid?

O none, vnlesse this miracle haue might,
That in black inck my loue may still shine bright.

65

Kein Erz, kein Fels, kein Meer und auch kein Land
Muss der Vergänglichkeit sich nicht ergeben.
Was hat dagegen Schönheit in der Hand,
der kaum die Kraft der Blume mitgegeben?

Wie kann sich Sommers Honigatem halten,
wenn Tage ihn belagern und erschüttern,
da selbst die stärksten Felsen sich doch spalten,
und Eisentore mit der Zeit verwittern?

O schrecklicher Gedanke, wo nur kann
das Schönste aller Zeit der Zeit entflüchten?
Welch starke Hand hält sie im Laufe an,
wer hindert sie, die Schönheit zu vernichten?

O niemand, außer diesem Wunderquell:
Aus schwarzer Tinte strahlt der Liebste hell!

Anm. 65 - zum Anfang

66

TYr'd with all these for restfull death I cry,
As to behold desert a begger borne,
And needie Nothing trimd in iollitie,
And purest faith vnhappily forsworne,
And gilded honor shamefully misplast,
And maiden vertue rudely strumpeted,
And right perfection wrongfully disgrac'd,
And strength by limping sway disabled,
And arte made tung-tide by authoritie,
And Folly (Doctor-like) controuling skill,
And simple-Truth miscalde Simplicitie,
And captiue-good attending Captaine ill.

Tyr'd with all these, from these would I be gone,
Saue that to dye, I leaue my loue alone.

66b

TYr'd with all these for restfull death I cry,
As to behold desert a begger borne,
And needie Nothing trimd in iollitie,
And purest faith vnhappily forsworne,
And gilded honor shamefully misplast,
And maiden vertue rudely strumpeted,
And right perfection wrongfully disgrac'd,
And strength by limping sway disabled,
And arte made tung-tide by authoritie,
And Folly (Doctor-like) controuling skill,
And simple-Truth miscalde Simplicitie,
And captiue-good attending Captaine ill.

Tyr'd with all these, from these would I be gone,
Saue that to dye, I leaue my loue alone.

66

Satt hab ich all dies, verlang im Tod den Frieden,
Seh ich, dass das Verdienst ein Bettler bleibt,
Dass nacktem Nichts das Festagskleid beschieden,
Dass Meineid reinste Treu ins Unglück treibt,
Dass Schande sich mit Ehrengold umhängt,
Dass Geilheit alles, was noch rein ist, schändet,
Dass Unrecht die Gerechtigkeit verdrängt,
Dass Stärke, durch Gewalt gelähmt, verkrüppelt,
Dass Macht dem Wissen fest die Zunge bindet,
Dass Dummheit kritisch Können überwacht,            
Dass man die lautre Wahrheit lachhaft findet,
Dass Gut als Sklave dient  der bösen Macht.           

Satt hab' ich all dies,  möcht' weg von alldem sein,
Doch wär' ich tot, ließ' ich mein Lieb allein.

66b

Ich schrei nach Tod und Ruhe, bin es leid,
Zu sehn, wie das Verdienst ein Bettler bleibt,
Wie nacktes Nichts sich freut im besten Kleid,
Wie Meineid reinste Treu ins Unglück treibt,
Wie Schande sich mit Ehrengold umhängt,
Wie rohe Geilheit Mädchentugend schändet,
Wie Unrecht die Gerechtigkeit verdrängt,
Wie Stärke, durch Gewalt  gelähmt, verendet.
Wie Wissenschaft geknebelt wird von oben,
Wie Dummheit kritisch Können kontrolliert,
Wie Wahrheit als zu einfach abgeschoben,
Wie Güte Sklavin bleibt, und Bös regiert.

Ich hab dies satt, möcht' weg von alldem sein,
Nur, bin ich tot, lass ich mein Lieb allein.

Anm. 66 - zum Anfang

67

AH wherefore with infection should he liue,
And with his presence grace impietie,
That sinne by him aduantage should atchiue,
And lace it selfe with his societie?

Why should false painting immitate his cheeke,
And steale dead seeing of his liuing hew?
Why should poore beautie indirectly seeke,
Roses of shaddow, since his Rose is true?

Why should he liue, now nature banckrout is,
Beggerd of blood to blush through liuely vaines,
For she hath no exchecker now but his,
And proud of many, liues vpon his gaines?

O him she stores, to show what welth she had,
In daies long since, before these last so bad.

67

Warum muss er in dieser Zeit nur leben,
und Charme verleihn der Lasterhaftigkeit?
Der Sünde muss er damit Vorschub geben,
indem sie ihn als ihren Schmuck vorzeigt.

Warum färbt man die Wangen so wie er,
warum stiehlt seinen frischen Teint der Tod?
Warum sucht mindre Schönheit hinterher
die Rose zu kopiern, sein echtes Rot?

Warum lebt er? Bankrott ist die Natur,
kann keiner Wange frisches Blut verleihn,
in ihrer Kasse hat sie ihn jetzt nur,
auf viele stolz, lebt sie von ihm allein.

Natur behält ihn, um mit ihm zu sagen,
wie reich sie war in frühern, bessern Tagen.

Anm. 67 - zum Anfang

68

THus is his cheeke the map of daies out-worne,
When beauty liu'd and dy'ed as flowers do now,
Before these bastard signes of faire were borne,
Or durst inhabit on a liuing brow:

Before the goulden tresses of the dead,
The right of sepulchers, were shorne away,
To liue a scond life on second head,
Ere beauties dead fleece made another gay:

In him those holy antique howers are seene,
Without all ornament, it selfe and true,
Making no summer of an others greene,
Robbing no ould to dresse his beauty new,

And him as for a map doth Nature store,
To shew faulse Art what beauty was of yore.

68

So zeugt die Wange von den alten Tagen,
als Schönheit welkte wie der Blumen Pracht,
bevor man dieses Bastardzeug getragen,
das jetzt sich auf den Stirnen sesshaft macht,

bevor man noch der Toten blonden Zopf
dem Grab entriss, damit das Haar erneut -
im zweiten Leben auf dem zweiten Kopf -
als goldnes Vlies noch einen andern freut.

Er zeugt von einer Zeit, die längst dahin,
als Schmuck noch nicht gefälscht war, echt, getreu.
Er macht den Sommer nicht aus fremdem Grün,
macht nicht mit Altem seine Schönheit neu.

Natur behält ihn als ein Exemplar,
das falscher Kunst jetzt zeigt, was Schönheit war.

Anm. 68 - zum Anfang

69

THose parts of thee that the worlds eye doth view,
Want nothing that the thought of hearts can mend:
All toungs (the voice of soules) giue thee that end,
Vttring bare truth, euen so as foes Commend.

Thy [Q: Their] outward thus with outward praise is crownd,
But those same toungs that giue thee so thine owne,
In other accents doe this praise confound
By seeing farther then the eye hath showne.

They looke into the beauty of thy mind,
And that in guesse they measure by thy deeds,
Then churls their thoughts (although their eies were kind)
To thy faire flower ad the rancke smell of weeds,

But why thy odor matcheth not thy show,
The solye is this, that thou doest common grow.

69

An deinem Äußern, das die Welt sieht, fehle
nichts, das die Liebe nicht verbessern kann,
sagt jede Zunge (und spricht aus der Seele),
selbst Feinde schließen sich der Meinung an.

Dein Äußres wird mit höchstem Lob bedacht,
doch von den gleichen Zungen, die's gespendet,
wird anderswo dies Lob zu Fall gebracht,
sie schaun dort weiter, wo ihr Blickfeld endet.

Gedanken prüfen deinen schönen Geist
und messen grob ihn dann an deinen Taten;
und dann - wie war'n die Augen nett! -, heißt's dreist,
die Blüte duft' wie Unkraut, sei missraten.

Man sieht dich gern, doch keiner kann dich riechen.
Der Grund? Es könnt an der Gemeinheit liegen.

Anm. 69 - zum Anfang

70

THat thou are blam'd shall not be thy defect,
For slanders marke was euer yet the faire,
The ornament of beauty is suspect,
A Crow that flies in heauens sweetest ayre.

So thou be good, slander doth but approue,
Thy [Q:Their] worth the greater beeing woo'd of time,
For Canker vice the sweetest buds doth loue,
And thou present'st a pure vnstayined prime.

Thou hast past by the ambush of young daies,
Either not assayld, or victor beeing charg'd,
Yet this thy praise cannot be soe thy praise,
To tye vp enuy, euermore inlarged,

If some suspect of ill maskt not thy show,
Then thou alone kingdomes of hearts shouldst owe.

70

Dass dies dein Fehler sei, ist gar nicht wahr.
Was schön ist, wird man aber immer schmähen,
Verleumdung ist der Schönheit Accessoir:
in höchsten Lüften fliegen noch die Krähen.

Denk, wenn du gut bist, zeigt Verleumdung dir
nur deinen größern Wert im Aug der Zeit.
Das Laster hat die Reinheit im Visier,
und du verkörperst die Jungfräulichkeit.

Du bliebst bis heute jung und unversehrt,
wenn einer kam, hieltst du dem Ansturm Stand,
Dies alles ist zwar wirklich lobenswert,
doch fesselt's nicht den Neid, das ist bekannt.

Doch ist nichts Böses hinter deinem Schein,
wirst du der König aller Herzen sein.

Anm. 70 - zum Anfang

71

NOe Longer mourne for me when I am dead,
Then you shall heare the surly sullen bell
Giue warning to the world that I am fled
From this vile world with vildest wormes to dwell:

Nay if you read this line, remember not,
The hand that writ it, for I loue you so,
That I in your sweet thoughts would be forgot,
If thinking on me then should make you woe.

O if (I say) you looke vpon this verse,
When I (perhaps) compounded am with clay,
Do not so much as my poore name reherse;
But let your loue euen with my life decay.

Least the wise world should looke into your mone,
And mocke you with me after I am gon.

71

Bin ich einst tot, sollt Ihr nicht länger trauern
als bis zum finstern, düstern Glockentone,
der mitteilt, dass ich - ohn' es zu bedauern -
die Welt verließ und nun mit Würmern wohne.

Wenn Ihr dies lest, lest kein Erinnern rein
an den, der's schrieb. Ich liebe Euch so sehr,
ich möcht in Eurem Traum vergessen sein,
wenn an mich denken für Euch schmerzvoll wär.

Schaut Ihr jetzt grad auf diese Zeilen nieder,
bin ich wohl Staub geworden und verweht.
Dann nennt nicht einmal meinen Namen wieder,
damit mit mir auch Eure Lieb vergeht.

Denn fänd die Welt den Trauergrund heraus,
sie lachte Euch mit mir zusammen aus.

Variante (Du-Form)

Anm. 71 - zum Anfang

72

O Least the world should taske you to recite,
What merit liu'd in me that you should loue
After my death (deare loue) for get me quite,
For you in me can nothing worthy proue.

Vnlesse you would deuise some vertuous lye,
To doe more for me then mine owne desert,
And hang more praise vpon deceased I,
Then nigard truth would willingly impart:

O least your true loue may seeme falce in this,
That you for loue speake well of me vntrue,
My name be buried where my body is,
And liue no more to shame nor me, nor you.

For I am shamd by that which I bring forth,
And so should you, to loue things nothing worth.

72

Falls Euch die Welt nicht bittet um Bilanz,
wie ich's verdiente, dass Ihr mich geliebt,
vergesst mich, Liebste(r), nach dem Tode ganz,
weil es an mir nichts Lobenswertes gibt.

Es sei denn zwar, Ihr lügtet aus Dezenz
und macht mich über mein Verdienst beliebt,
und hängt mir übers Grab mehr Lobeskränz',
als Knausrin Wahrheit mir von sich aus gibt.

Damit an Eurer Treu nichts Falsches sei,
soll Liebe Euch dann nicht zur Lüge zwingen.
Legt meinen Namen meinem Grabe bei,
sonst wird er Euch und mir nur Schande bringen.

Ich schäme mich für das, was ich geschrieben.
Schämt Ihr Euch nicht, solch wertlos Zeug zu lieben?

Anm. 72 - zum Anfang

73

THat time of yeeare thou maist in me behold,
When yellow leaues, or none, or few doe hange
Vpon those boughes which shake against the could,
Bare rn'wd quiers, where late the sweet birds sang.

In me thou seest the twi-light of such day,
As after Sun-set fadeth in the West,
Which by and by blacke night doth take away,
Deaths second selfe that seals vp all in rest.

In me thou seest the glowing of such fire,
That on the ashes of his youth doth lye,
As the death bed, whereon it must expire,
Consum'd with that which it was nurrisht by.

This thou perceu'st, which makes thy loue more strong,
To loue that well, which thou must leaue ere long.

73

In mir erkennst du jene Zeit im Jahr,
wo gelbe - keine - wenig - Blätter hängen,
an Zweigen, die der Kälte trotzen - bar.
Nur Trümmer dort, wo süße Vögel sangen.

In mir siehst du das letzte Licht vom Tag
vergehn im Westen, wenn die Sonne sank.
Und schwarze Nacht nimmt alles nach und nach,
ein zweiter Tod, versiegelt es im Schlaf.

In mir siehst du vom Feuer noch die Glut,
wie sie auf ihrer Jugend Asche schwelt,
den letzten Seufzer auf dem Todbett tut,
verzehrt von dem, was sie bis jetzt genährt.

Dies macht dir deine Liebe mehr bewusst.
Du liebst jetzt fest, was du bald lassen musst.

Anm. 73 -zum Anfang

74

BVt be contented when that fell arest,
With out all bayle shall carry me away,
My life hath in this line some interest,
Which for memoriall still with thee shall stay.

When thou reuewest this, thou doest reuew,
The very part was consecrate to thee,
The earth can haue but earth, which is his due,
My spirit is thine the better part of me,

So then thou hast but lost the dregs of life,
The pray of wormes, my body being dead,
The coward conquest of a wretches knife,
To base of thee to be remembred,

The worth of that, is that which it containes,
And that is this, and this with thee remaines.

74

Bleib ruhig, wenn der Tod mich arretiert
und abführt (nicht Kaution gewährt) von hier.
Mein Leben ist in Zeilen investiert,
die bleiben zur Erinnerung bei dir.

Du liest hier wieder, was ich dir gewährte,
den Teil, der dir geweiht ist ganz allein.
Es muss so sein: Nur Erde kommt zur Erde,
mein Geist jedoch, der bessre Teil, bleibt dein.

Der Abschaum dieses Lebens geht verloren,
mein toter Körper, der die Würmer nährt,
vom feigen Sensemanne auserkoren,
ein Nichts, das der Erinnerung nicht wert.

Der Wert der Zeilen ist, was sie enthalten,
und das wär dies, das darfst du jetzt behalten.

Anm. 74 -zum Anfang

75

SO are you to my thoughts as food to life,
Or as sweet season'd shewers are to the ground;
And for the peace of you I hold such strife,
As twixt a miser and his wealth is found.

Now proud as an inioyer, and anon
Doubting the filching age will steale his treasure,
Now counting best to be with you alone,
Then betterd that the world may see my pleasure,

Some-time all ful with feasting on your sight,
And by and by cleane starued for a looke,
Possessing or pursuing no delight
Saue what is had, or must from you be tooke.

Thus do I pine and surfet day by day,
Or gluttoning on all, or all away,

75

Ihr nährt all die Gedanken, die ich habe,
tut wie der Regen meinem Boden gut,
ich kämpfe, dass ich bei Euch Frieden habe
wie es der Geizhals mit dem Reichtum tut.

Mal fällt mir im Besitzerstolze ein,
das Alter könnte sich am Schatz vergehen,
Mal denk' ich, besser sei's mit Euch allein,
mal find ich's besser, wenn uns alle sehen.

Mal schwelge ich in Eurem Anblick schier,
mal wär ein einz'ger Blick mir schon Genuss.
Mich kümmert nichts mehr als Besitz und Gier,
was ich schon kriegte oder kriegen muss.

So schmacht' ich und so schwelg' ich, Tag für Tag,
und find mal nichts, mal mehr als ich vertrag.

Anm. 75 -zum Anfang

 

1, 2, 3, 4, 5/6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15/16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27/28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44/45, 46, 47, 48, 49, 50/51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64 /65, 66, 67/68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75
76, 77, 78/79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118/119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135 / 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154

Sh:in:E
Shakespeare in Europe
University of Basel, Switzerland

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last changes: November 2005